Eine Fußballmannschaft aus Katholiken und Anarchisten

Escrivá als Anwalt der Versöhnung am Vorabend des spanischen Bürgerkrieges

In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts kam in Spanien ein fundamentalistischer Antiklerikalismus auf. Immer mehr Leute begannen zu glauben die Zerstörung der Kirche sei die Lösung aller Probleme. Ausfälle gegen Priester nahmen zu, und das bekam auch der heilige Josefmaria zu spüren. Doch schon früh fasste er den Vorsatz den Hass mit Liebe zu erwidern und diejenigen, die ihn beleidigten und schmähten, mit Gebet zu „steinigen“.

Eine nicht alltägliche Umarmung

Eines Tages – es war im Jahr 1929 – fuhr er mit der Madrider Straßenbahn zur „Academia Cicuéndez“, wo er einen Lehrauftrag hatte. Im Laufe der Fahrt stieg ein Bauarbeiter in weiß bestäubter Arbeitskleidung zu. Sobald dieser den jungen Priester sah, drängte er sich an ihn heran, offensichtlich um dessen Kleidung schmutzig zu machen. Einige Mitfahrende grinsten schadenfroh, die anderen schwiegen betreten. Als Escrivá aussteigen musste, fasste er den Mann bei den Schultern. Alle waren darauf gefasst, dass er ihn empört schütteln oder sogar ohrfeigen würde. Doch zur allgemeinen Überraschung sagte er ganz ruhig: „Mein Sohn, machen wir ganze Sache!“ – und gab ihm eine herzhafte Umarmung. Natürlich war nun seine schwarze Kleidung von oben bis unten weiß bepudert. Escrivá stieg belustigt aus und ging zur Akademie, wo seine Kollegen und Schüler nicht schlecht staunten, wie er aussah.

Lodernder Hass

Ab 1931 wurde der Antiklerikalismus immer schärfer. Dem jungen Priester schlug nunmehr auf der Straße täglich so blanke Verachtung entgegen, dass er sich fragte: „Mein Gott, warum dieser Hass gegen deine Diener?“ Selbst Jugendliche und Kinder wurden von dieser Stimmung erfasst. Einige machten sich einen Spaß daraus, Escrivá auch tätlich anzugreifen. 1932 traf ihn mehrmals kurz hintereinander ein Ball mit voller Wucht am Kopf, so dass beinahe seine Brille in Brüche ging. Er reagierte auch hier gelassen, sogar mit Humor. Die ständigen Gotteslästerungen ertrug er schweigend, aber mit tiefer Betroffenheit.

Schwester María Sanz Zubiría war zur Zeit der Verfolgungen vor und während des Bürgerkriegs Krankenpflegerin im „Hospital del Rey“. Sie erinnert sich: „Wir durchlebten sehr schwere Zeiten, doch er fürchtete nichts und niemanden bei der Erfüllung seiner priesterlichen Aufgabe. Wenn wir zum Spital gingen, wurden wir oft mit Steinen beworfen. Don Lino Vea-Murguía, ein Priester, der ebenfalls kam, wurde im Jahr 1936 erschossen. Ebenso erschoss man den Pfarrer dieses Quartiers und die beiden Lehrer, und auch einen Pfleger des Spitals. Doch er kam weiterhin, und das so lange, bis man uns hinauswarf.“

Escrivá ließ sich von all diesen Erlebnissen nicht verbittern oder politisch radikalisieren. Bereits 1931 hatte er den Vorsatz gefasst: „Ich darf nur von Gott reden.“ Überall, wo sich ihm die Gelegenheit dazu bot, warb er für Frieden und Verständnis.

Katholiken und Anarchosyndikalisten im selben Fußballteam

Im August 1932 wurden in Madrid bei einer Revolte gegen die linksrepublikanisch-sozialistische Regierung einige Studenten verhaftet. Unter ihnen waren zwei Katholiken, die Escrivá früher bei seinen Krankenbesuchen begleitet hatten. Sie wurden in ein Gefängnis namens „Modelo“ gesteckt, wo auch viele so genannte Anarchosyndikalisten einsaßen. Wie nicht anders zu erwarten standen sich die beiden Gruppen feindselig gegenüber. Das wurde besonders spürbar, wenn alle Insassen zum täglichen „Ausgang“ in den Gefängnishof geführt wurden, wo sie meist Fußball spielten. Escrivá besuchte die beiden Gefangenen, obwohl er damit Gefahr lief, selber verdächtigt und verhaftet zu werden. Er hielt sie nachdrücklich dazu an die Fronten aufzubrechen und sagte ihnen: „Jetzt habt ihr die Gelegenheit, mit den anderen zu reden. Respektiert ihre politischen Ideale und überzeugt sie von ihren Irrtümern. Sprecht mit ihnen voll Achtung und Feingefühl. Bedenkt, dass sie wahrscheinlich keine christlichen Eltern wie ihr gehabt haben und nicht ihm gleichen Umfeld wie ihr aufgewachsen sind. Was wäre aus euch und aus mir geworden, wenn wir in ihrer Lage gewesen wären? Jetzt könnt ihr ihnen im Hof zeigen, dass ihr Christen seid, wenn ihr mit ihnen zusammen lebt und spielt, als seien sie eure besten Freunde. Lest den Katechismus! Die Lehre Christi ist eindeutig: Liebt diese Menschen wie euch selbst!“

Nach ein paar Tagen organisierten die Gefangenen ein Fussballspiel mit Angehörigen beider politischen Lager in jeder Mannschaft. In einem der Teams hütete ein Katholik das Tor, seine beiden Verteidiger waren Anarchosyndikalisten.

Quellen:Vázquez de Prada, Andrés: Der Gründer des Opus Dei, Josemaría Escrivá. Eine Biographie. Adamas-Verlag, Köln. Band II: Die mittleren Jahre 2004, S. 27 und 87f.; cf. id., Band I, Die frühen Jahre 2001, S. 398f. und 459f.. Tornielli, Andrea: Escrivá fondatore dell'Opus Dei, Piemme, Casale Monferrato 2002, S. 52f. Artikel vom Postulator des Heiligsprechungs­prozesses über Escrivá, Nr. 629. Gondrand, François: Le fondateur de l’Opus Dei et les pouvoirs établis. Un éclairage original sur les relations entre saint Josémaria Escriva, Franco et quelques autres. Paris 2003, veröffentlicht auf www.anuncioblog.com.

von Beat Müller