Msgr. Fernando Ocariz: „Wir beten zum Heiligen Geist für die Wahl des neuen Prälaten“

Interview mit Fernando Ocáriz, dem interimistischen Leiter der Prälatur nach dem Tod von Bischof Javier Echevarría, über die Vorbereitungszeit bis zum Wahlkongresses des Opus Dei, der Ende Jänner in Rom stattfinden wird.

Am 22. Dezember hat Msgr. Fernando Ocariz, seit 2014 Auxiliarvikar und nun interimistischer Leiter des Opus Dei, den Kongress einberufen, der nach dem Tod von Bischof Javiers Echevarría den neuen Nachfolger an der Spitze der Prälatur wählen wird. Ab dem 21. Jänner berät die Vollversammlung des Rates der Frauen der Prälatur, die dem Kongress Kandidaten vorschlagen wird. Die ersten Wahldurchgänge des Kongresses werden am 23. Jänner stattfinden.

Von Rodrigo Ayude
Wie wird in der Prälatur Opus Dei diese Vorbereitungszeit für die Wahl des neuen Prälaten gelebt? Was bewegt Sie als Auxiliarvikar in diesen Momenten?
Ich denke, jede und jeder in der Prälatur erlebt diese Zeit im Gebet und bittet insbesondere den Heiligen Geist um Beistand. Der Wahlkongress wird mit einer Votivmesse zum Heiligen Geistes beginnen, bei der wir darum bitten, dass er alle unsere Schritte lenke. Der Glaube gibt uns die Gewissheit, dass der Herr seine Kirche führt und damit auch diesen Teil seines Gottesvolkes.

Diese Weihnachtszeit ermöglicht uns, unsere Herzen auf den Wahlkongress vorzubereiten, mit dem Blick auf das Wesentliche: auf Jesus Christus, den Gottessohn.

Darüber hinaus ermöglicht uns diese Weihnachtszeit, unsere Herzen auf den Wahlkongress vorzubereiten, mit dem Blick auf das Wesentliche: auf Jesus Christus, den Gottessohn, das Antlitz der Barmherzigkeit des Vaters. Wenn wir dieses Geheimnis von Bethlehem betrachten, stoßen wir auch auf die Jungfrau Maria, die Mutter der Kirche, und wir werden uns ihrer Fürsprache anvertrauen.

Wir erleben diese Tage sehr vereint mit dem Heiligen Vater, Papst Franziskus, und der ganzen Kirche, von der das Opus Dei ein kleiner Teil ist. Und natürlich fühlen wir eine sehr große Dankbarkeit für die pastorale Arbeit und das gute Beispiel, das uns Bischof Javier Echevarría hinterlassen hat.

Auf den Spuren des hl. Josefmaria und des Zeugnisses seiner ersten beiden Nachfolger, erwägen wir im Herzen das Erbe, das sie uns übergeben haben und das wir als Licht und Trost in die heutige Welt tragen wollen, so, wie es schon zuvor die Jünger Christi im Laufe vieler Jahrhunderte getan haben. Ich bin überzeugt, dass wir uns von ganzem Herzen mit dem neu gewählten Prälaten vereinen, um ihn dabei zu unterstützen, die Prälatur in der Welt von heute zu leiten.

In den beiden bisherigen Wahlen, wurde jeweils die Nummer 2 im Opus Dei zum Prälaten gewählt: im Jahr 1975 der selige Alvaro del Portillo, der viele Jahre der wichtigste Mitarbeiter des Gründers war. Nach dem Tod von Bischof Del Portillo wurde dann der damalige Generalvikar Javier Echevarría gewählt. Glauben Sie, dass sich das bei den nächsten Wahlen so fortsetzen wird?

bei den bisherigen Wahlen (…) wurden beide Nachfolger noch direkt vom hl. Josefmaria herangebildet. Die Wahlberechtigten hatten nach ihrem Gewissen abgestimmt.
Da gab es keinen Automatismus.

Tatsächlich war es bei den bisherigen Wahlen so. Mir scheint, dass der Grund dafür in deren einzigartigen Persönlichkeiten lag und den Biographien der ersten Nachfolger, die beide noch direkt vom hl. Josefmaria herangebildet worden waren. Die Wahlberechtigten hatten nach ihrem Gewissen abgestimmt. Da gab es keinen Automatismus. Ihnen schien es am besten diejenigen zu wählen, die noch an der Seite des Gründers gearbeitet hatten.

Einige Umstände haben sich seitdem geändert: Der neue Prälat wird nicht mehr jemand sein, der so direkt mit dem Gründer gearbeitet hat – wie es der selige Alvaro del Portillo und Bischof Javier Echevarría getan hatten – wenngleich er ihn vielleicht noch gekannt oder Umgang mit ihm gehabt hat.

Für den Wahlkongress stehen meiner Meinung nach viele geeignete, gute und weise Kandidaten zu Verfügung, die das Amt übernehmen könnten. Die Wahlberechtigten tragen die Verantwortung, frei nach ihrem Gewissen den Geeignetsten zu wählen. Unmittelbar danach wird der Name des Gewählten an Papst Franziskus übermittelt, der als Bischof von Rom die Wahl bestätigen muss.

Wenn von Wahlen die Rede ist, wird das seitens der Medien oft rein politisch aufgefasst. Man spricht von Strömungen und Tendenzen... Was lässt sich zu dieser Art des Zugangs sagen?

Jenen, die aus einer geistlichen und kirchlichen Perspektive heraus diese Wahl erleben, sind derartige Interpretationen fremd. Wer in solch einer Wahl Verantwortung trägt, legt seine Sicherheit in den „Strom“ des Heiligen Geistes, wie uns Papst Franziskus vor ein paar Tagen ermuntert hat, als er über die unmittelbare Zukunft des Opus Dei sprach.

Manchmal kommt es, wie Sie sagen, zu einseitigen Zugangsweisen, die rein menschlich oder politisch geprägt sind. Wenn man den Akzent auf diese Aspekte legt, erscheint Vielfalt wie ein Problem. Meiner Ansicht nach stellen Pluralismus und Vielfalt einen großen Reichtum dar. Die Wahlberechtigten im Opus Dei – wie auch alle anderen Gläubigen der Prälatur – kommen aus Ländern aller fünf Kontinente, sie sind untereinander sehr verschieden, kommen aus unterschiedlichen Kulturen und bringen eigene Charakteristika ihres Landes und ihrer Familie mit. Diese Vielfalt, die vom hl. Josefmaria so gefördert wurde, ist vereinbar mit dem Wesentlichen: der Treue zum Charisma, das der Gründer empfangen hat und das von der Kirche anerkannt wurde. Die Treue zu diesem geistigen Erbe (mit einigen charakteristischen Merkmalen wie dem Leben aus der Gotteskindschaft, dem Streben nach Heiligkeit in den gewöhnlichen Umständen eines jeden Tages, der laikalen Mentalität und der priesterlichen Seele, etc.) sichert unter allen eine tiefe Einheit.

Die bisherigen zwei Prälaten waren direkte Mitarbeiter des Gründers. Beginnt nun mit der Wahl des dritten Prälaten eine neue Ära für das Opus Dei?

Mir kommen dabei Worte in den Sinn, die Bischof Echevarría uns gegenüber oft wiederholt hat. „Das Opus Dei ist in euren Händen, in den Händen jedes einzelnen des Werkes.“ In diesen Momenten gewinnt diese Realität besondere Größe. Die aktuellen Umstände rufen dazu auf, Verantwortung zu übernehmen, denn jeder von uns sollte nun noch mehr im Blick haben, das Erbe des hl. Josefmaria im eigenen Leben, unter den Menschen unserer Zeit, Wirklichkeit werden zu lassen.

Wer auch immer zum Prälaten gewählt wird, er kann sich zweifellos auf das Gebet der Gläubigen des Opus Dei und viele anderer Menschen stützen. Er wird sich auch auf die von ihm zusammengestellte Gruppe von Mitarbeitern verlassen können und wird mit anderen zusammenarbeiten: Die Kollegialität ist ein weiterer charakteristischer Grundzug des Erbes des hl. Josefmaria.

Was denken Sie, werden die wichtigsten Herausforderungen sein, die sich dem neuen Prälat des Opus Dei stellen?

Die grösste Herausforderung besteht darin, dass jeder im Opus Dei Kirche sichtbar verwirklicht, an seinem Arbeitsplatz, in seinem beruflichen Umfeld, in der Welt der Kultur und Familie.

Die größte Herausforderung besteht darin, dass jeder im Opus Dei Kirche sichtbar verwirklicht, an seinem Arbeitsplatz, in seinem beruflichen Umfeld, in der Welt der Kultur und Familie. Die Gläubigen der Prälatur können mit ihrem christlichen Zeugnis dazu beitragen, dass Christus auch unter den Menschen unserer Zeit zu finden ist: mitten auf der Straße, mitten einer immer pluraler werdenden Gesellschaft. Hier tut eine Katechese Not, die auf der Höhe Zeit ist, in der Welt der Berufe, dort, wo die Menschen sind.

Eine weitere Aufgabe liegt darin, Freude und Hoffnung in die Welt von heute zu tragen. Nicht in eine ideale Welt, sondern in diese unsere komplexe Welt, voller Wunden, die dringend der Liebe bedarf. Mit anderen Worten: Es braucht heute Heilige im gewöhnlichen Leben, die Christus auch an alle existentielle Randgebiete bringt, wie Papst Franziskus uns erinnert.

Mit der Gnade Gottes lassen sich Menschen heranbilden, die sich bemühen, mit dem Herzen in Christus und mit beiden Beinen fest auf dem Boden leben, und die sich ihrer eigenen Begrenzungen bewusst sind. Die Freude, die kommt, wenn man die christliche Botschaft lebt und durch das eigene Leben verkörpert, wird von einem zum anderen weitergegeben: von Mechaniker zu Mechaniker, von Krankenschwester zu Krankenschwester, von Kaufmann zu Kaufmann, von Journalist zu Journalist…

Darüber hinaus braucht es einen Ansporn zum persönlichen Einsatz Tausender Menschen, die – bewegt von der Liebe zu Christus und zu den Mitmenschen – Initiativen starten, die eine Antwort auf die großen Herausforderungen unserer Zeit sind: Rechtschaffenheit und Berufsethos, die Beseitigung von Armut, Hilfe für Flüchtlinge, die Arbeitsnot, die Förderung der Familie, usw. Kurzum: Hoffentlich tragen wir dazu bei, die Kirche als die mit Gott versöhnte Welt aufzubauen, wie es der hl. Augustinus formulierte.