Meine Erinnerungen an den heiligen Josefmaria

Marlies Kücking, eine der ersten deutschen Berufungen zum Opus Dei hat jahrelang an der Seite des hl. Josefmaria gearbeitet. Sie erzählt von ihren Erinnerungen.

Sie haben den hl. Josefmaría 1957 in Köln kennen gelernt. Wie ist das damals gewesen?

Am 22. August 1957 habe ich den hl. Josefmaría in Köln, im ersten Zentrum des Opus Dei für Frauen in Deutschland kennen gelernt. Ich hatte zwei Jahre zuvor, 1955, mit 18 Jahren um Aufnahme ins Opus Dei gebeten. Ich hatte entdeckt, dass mein Leben einen neuen Sinn hatte, weil ich in meiner täglichen Arbeit Gott begegnen und Jesus Christus nachfolgen konnte. Die Arbeit wurde zu einem Dienst an Gott und den anderen Menschen, ein Engagement, eine Sendung. Meine Eltern, die anfangs Schwierigkeiten hatten, das zu verstehen, ermutigten mich schließlich, diesen Weg weiterzugehen.

Meine erste Begegnung mit dem Gründer des Opus Dei bestärkte mich in meiner Entscheidung. Ich erinnere mich vor allem sehr lebendig an seine Liebe und seinen Humor. Wir waren damals nicht viele – sieben Frauen – vom Opus Dei in Deutschland. Er interessierte sich für uns, unsere Gesundheit, unsere Sorgen, für den Fortschritt in der deutschen Sprache bei denen, die aus dem Ausland kamen… Dann wandte er sich mir zu und sagte, dass zu den Ersten des Opus Dei in Deutschland zu gehören eine besondere Gnade Gottes sei, der ich treu und mit Freude entsprechen müsse.

Bevor er wegging, überreichte er uns zwei Schachteln mit Schweizer Schokolade und ermunterte uns, diese gleich anzubrechen.

Zwei Tage später verbrachte er mit uns längere Zeit in einem sehr familiären Beisammensein, in dem er uns träumen ließ von dem großen apostolischen Panorama, das sich uns eröffnete. Vor allem ermutigte er uns, vielen Menschen die Freude zu vermitteln,Kinder Gottes zu sein, die Arbeit als Mittel der Heiligung zu entdecken, als Dienst, als Möglichkeit, die Welt, in der wir leben, zu verbessern und Säleute der Freude und des Friedens zu sein…

Diese Begegnung mit unserem Gründer war für mich - wie für die anderen auch – der Beginn einer neuen Etappe meines Lebens. Es änderte sich nichts, aber alles war anders. Der hl. Josefmaria hatte uns ein weites Panorama eröffnet, das unseren apostolischen Schwung erneuerte.

Seit dieser Begegnung mit dem Gründer, so haben Sie häufig erklärt, waren Sie sich sicher, einen Heiligen kennengelernt zu haben. Die Geschichte hat Ihnen Recht gegeben. Wie erklären Sie sich diese Sicherheit?

Ja, ich hatte sofort die innere Gewissheit, einem Heiligen begegnet zu sein; denn ich fühlte mich zutiefst bewegt. Ihn zu hören erfüllte mich mit Freude, mit dem Wunsch, anderen zu dienen und mit Großzügigkeit zu arbeiten.

Marlies Kücking, hinten rechts

Diese Überzeugung ist im Lauf der Jahre stärker geworden durch die Gelegenheiten, die ich hatte, an seiner Seite zu arbeiten. Er war ein Mensch, dessen strahlende Liebe zu Gott einen zu Gott hinführte. Sie zeigte sich in seiner freundlichen und liebevollen Sorge um die anderen. Bei ihm fühlte man sich sehr wohl. Zugleich ermunterte er uns immer zu kämpfen, um besser zu werden.

Ab 1964 hatten Sie das Glück, an der Seite des hl. Josefmaria zu arbeiten. Man sagt, er habe einen starken Charakter gehabt. Können Sie das bestätigen?

Wenn man unter einem „starken Charakter“ jemanden versteht, der die Kardinaltugend der Tapferkeit lebt, zusammen mit Demut, Nächstenliebe, Arbeitsamkeit, Freude …, dann muss ich sagen ja. Wenn man damit aber einen strengen, harten Menschen meint, der schnell außer sich ist, dann würde ich darin den hl. Josefmaria nicht erkennen können.

Er war vor allem streng sich selbst gegenüber, fordernd und großzügig in der steten Erfüllung seiner Pflichten, seines Tagesplans, trotz seiner Müdigkeit. Mit dieser seiner Stärke ermunterte er uns liebevoll und fest zugleich.

Was halten Sie fest von all diesen Jahren, die Sie an der Seite eines Heiligen verbracht haben?Was war für Sie entscheidend am Beispiel des hl. Josefmaria?

Wenn ich nur ein paar wesentliche Züge behalten könnte, würde ich zweifellos folgende nennen:

Das Vertrauen, das er einem jeden schenkte, konkret seinen Kindern im Opus Dei. Seine Art, uns anzuhören, auch dann, wenn wir – wie ich – nur wenig Erfahrung hatten. Das führte uns zu einem großen Verantwortungsgefühl.

Die Frömmigkeit und die Sammlung, mit der er die Eucharistie feierte, ohne jede Eile. Ich möchte sagen, dass man seinen Glauben und seine Liebe zu Gott mit Händen greifen konnte. Ebenso wie seine Liebe zur Kirche und zum Heiligen Vater.

Seine (wenn ich so sagen darf) mütterliche Sorge um die anderen, besonders wenn jemand krank war oder einen Kummer hatte.

Seinen Humor, der selbst dann nicht fehlte, wenn er über Themen sprach, die ihn auf die eine oder andere Weise betroffen machten.

Seine Demut war ebenso erstaunlich. „Er war kein Fluss, der seinen Lauf nicht ändern konnte“, pflegte er zu sagen, wenn er seine Ansicht über eine Sache änderte, nachdem er neue Informationen dazu bekommen hatte. Ich habe miterlebt, wie er Don Alvaro um Entschuldigung bat, wenn er merkte, dass er sich geirrt hatte, wie er sich bei einer seiner portugiesischen Töchter entschuldigte, weil er ein Wort benutzt hatte, dass im Spanischen völlig harmlos, im Portugiesischen aber deplaziert war. Ich könnte noch viele andere Beispiele anführen, die genauso sprechend sind, aber ich denke, es ist mehr der Gesamteindruck aller dieser Einzelheiten, die Tag für Tag mit immer größerer Bereitschaft gelebt wurden und die mich tief beeindruckt haben.

Ein weiteres Interview