„Sagen wir Dank für einen so guten und treuen Hirten“

Predigt des Auxiliarvikars Fernando Ocariz beim Requiem für den Prälaten des Opus Dei, Bischof Javier Echevarría

In den Worten, die wir eben gehört haben, öffnet uns Jesus auf wunderbare Weise sein Herz. Der Herr spricht zu seinem Vater und zu seinen Jüngern. Auch wir, die wir Christen sind, sind gerufen, auf diese Weise mit Gott und mit unseren Brüdern und Schwestern zu sprechen.

Die Neuevangelisierung, das Apostolat, ist genau die Frucht unserer Vertrautheit mit Gott, wie der heilige Josefmaria schrieb: „Dein Apostolat muss ein Überfließen deines Lebens ‚aus der Tiefe‘ sein.“1

In der Feier dieser Heiligen Messe, die wir für den Bischof und Prälaten des Opus Dei aufopfern, erinnert mich das Evangelium daran, mit welcher Natürlichkeit Bischof Javier Echevarría uns zu lehren suchte, Christus und die anderen zu lieben. Es verging kein Tag, an dem er uns nicht eine Stelle der Liturgie des Wortes oder eines anderen Textes der Messe auslegte. Er tat dies natürlich in Betrachtungen und geistlichen Gesprächen, aber auch einfach im täglichen Leben. So begann er mittendrin zu beten und lud jene, die ihn umgaben, dazu ein, zu beten: Für eine Reise des Papstes, für den Frieden in Syrien, für die Opfer von Naturkatastrophen, für die Flüchtlinge, für die Arbeitslosen und die Kranken, für die er immer eine besondere Vorliebe hatte. Auch das hatte er vom heiligen Josefmaria gelernt. Wenn er von einer langen Reise zurückkam, ging er manchmal, noch bevor er nach Hause fuhr, ins Spital, um einen Kranken zu besuchen. Alle hatten Platz in seinem Herzen. Vom Gründer des Opus Dei hatte er gelernt „die Welt leidenschaftlich zu lieben“, weil wir in ihr Gott begegnen, wie der Heilige sagte. „In den Vorgängen und Ereignissen der Welt zeigt und enthüllt sich uns Gott.”2 Und so liebte Bischof Echevarría das reale Leben, die Tatsachen, die wunderschönen und wahren Geschichten des barmherzigen Gottes.

Er musste auf die Herausforderung antworten Nachfolger von zwei Heiligen zu sein, des heiligen Josefmaria und des seligen Alvaro del Portillo. Er war davon überzeugt, dem nicht gewachsen zu sein. Gleichzeitig hatte er die geistliche Kraft und den Mut, voran zu gehen, ohne jemals die Hoffnung zu verlieren, denn er war einer dieser Kleinen, denen der Herr das Geheimnis seiner Liebe geoffenbart hat (vgl. Mt 11,29).

Er lernte die Liebe zu Christus schon in seiner Jugend kennen, zunächst in seinem Zuhause, und später dank jenes großen Lichtes, das die Begegnung mit dem heiligen Josefmaria für sein Leben bedeutete: So konnte er noch tiefer entdecken, wie schön die Liebe Christi ist. Er erinnerte sich, wie er den heiligen Josefmaria bei einer Autofahrt, wenige Tage, nachdem er das erste Mal mit ihm gesprochen hatte, ein Volkslied über die menschliche Liebe singen hörte und wie der heilige Josefmaria das Lied auf die göttliche Ebene ehob: „Ich habe eine Liebe, die mich mit Frohsinn erfüllt, und diese Liebe ist die große Freude jeden Tages.“ Er verstand damals, dass diese Liebe die Liebe Gottes zu uns ist und dass der Heilige Geist in unseren Herzen diese Liebe ausgegossen hat, um Gott und unsere Mitmenschen zu lieben. „Mein Joch ist sanft und meine Bürde ist leicht” (Mt 11,30), sagt Jesus, denn sein Joch ist die Liebe: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich Euch geliebt habe” (Joh 15,12).

Als Javier Echevarría zum Priester geweiht wurde, war die Messe – obwohl er noch sehr jung war – bereits zur Mitte und Wurzel seines Lebens geworden, denn die Eucharistie ist die „Quelle und der Höhepunkt aller Evangelisation”3, wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt. Über mehr als sechzig Jahre betete er, während er für die Feier der heiligen Geheimnisse die Kasel anlegte, gerne tief im Herzen jenes Gebet der Kirche, das an die Süßigkeit des Jochs des Herrn erinnert, an seine unermessliche Liebe und Barmherzigkeit, die Christus auf herausragende Weise offenbart, der für uns am Kreuz gestorben und der für uns auferstanden ist.

Wie es der heilige Josefmaria vorgelebt und gelehrt hatte, war Javier Echevarría ein Mann von großem Herzen, der verzeihen und um Verzeihung bitten konnte. Er liebte das Sakrament der Versöhnung und Buße, durch das wir Jesus in unsere Seele einlassen und die Fülle der befreienden Liebe erfahren, mit der Gott in das Leben jedes Menschen eintritt4, wie Papst Franziskus schreibt. Als Generalvikar der Prälatur hatte er nie ein anderes Ziel als dem seligen Alvaro del Portillo bei seiner Mission zu helfen, diesen kleinen Teil des Volkes Gottes zu leiten. Nach seiner Ernennung zum Prälaten des Opus Dei durch Johannes Paul II. richteten sich sein ganzes Denken und sein brennender Wunsch darauf, uns allen, die wir nun seine geistlichen Söhne und Töchter geworden waren, dabei zu helfen, wahrhaft die Heiligkeit zu suchen, die Gott uns geben will. Insbesondere im Streben nach der Heiligung durch die Arbeit und durch die Tätigkeiten des gewöhnlichen Lebens sollten wir die Liebe Gottes in unser Umfeld ausstrahlen: In die Familie, unter Freunde, in die Gesellschaft. So war es auch bei seinem Übergang in den Himmel: Er betete für die Treue aller.

Ich denke, wir können das Geheimnis all dessen in den Worten des Evangeliums entdecken, das wir eben gehört haben. Es ist das Gebet, der Glaube an die liebevolle Gegenwart Gottes, der uns zu Kinder Gottes macht in Christus durch den Heiligen Geist: „Ich preise dich Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast.“ (Mt 11,25). In der Tat besteht die Heiligkeit in nichts anderem als in der Fülle der Liebe in uns: Die Talente fruchtbar machen, die Gott uns gibt, aus uns selbst heraus auf die anderen zugehen. teilhaben am Leben Christi, also wachsen in der Adoptivkindschaft im einzigen und ewigen Sohn des Vaters. Man könnte sagen, dass in Bischof Echevarrías Herzen die ungeduldige Erwartung des Offenbarwerdens der Kinder Gottes pulsierte, auf die sich der heilige Paulus in seinem Brief an die Römer bezieht (vgl. Röm 8,19).

Ich möchte mich bei allen Kardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen, bei den Brüdern im Priesteramt, bei den Ordensmänner und Ordensfrauen und bei den zivilen Autoritäten sowie all den vielen Gläubigen bedanken, die sich mit uns haben vereinen wollen im Gebet für Bischof Echevarría und in der Danksagung für dieses Leben der Hingabe im Dienst an den anderen.

Ich möchte noch ein paar Worte hinzufügen, bei denen ich speziell an die Gläubigen der Prälatur denke. Wenn er, den wir 22 Jahre lang Vater genannt haben, jetzt unter uns wäre, würde er uns sicherlich darum bitten, dass wir diese Tage besonders nutzen, um unsere Liebe zur Kirche und zum Papst zu intensivieren, dass wir untereinander und mit allen unseren Geschwister in Christus eng vereint bleiben. Und er würde uns wieder sagen, was er besonders in den letzten Jahren seines Lebens so oft wiederholt hat, dass es geradezu sein Refrain wurde: „Habt einander sehr gern; liebt einander immer mehr! Und das hörte man ihn nicht nur sagen. Vielmehr konnte man auf eindrucksvolle Weise sehen, wie sehr er seine Mitmenschen liebte. Ich denke beispielsweise daran, dass er mir am Tag vor seinem Tod ein wenig beunruhigt seine Sorge mitteilte, er könne den vielen Menschen zur Last fallen, die sich um ihn kümmerten. Mir kam spontan über die Lippen: „Nein, Vater, Sie sind es, der uns alle stützt.“

Liebe Brüder und Schwestern, alle Gnaden erhalten wir durch die Mittlerschaft Mariens. Der Vater liebte sie sehr. Unter den vielen Marienwallfahrtsorten, zu denen er gemeinsam mit dem heiligen Josefmaria und dem seligen Alvaro del Portillo und dann als Prälat pilgerte, war auch das Heiligtum Unserer Lieben Frau von Guadalupe in Mexiko. Die Vorsehung wollte, dass der Vater am 12. Dezember, Gedenktag der Muttergottes von Guadalupe in den Himmel heimberufen wurde. Als es ihm an diesem Tag immer schlechter ging, fragte ihn ein Priester, ob er ein Bild der Mutter Gottes von Guadalupe näher bei sich haben wollte. Der Vater antwortete, dass sei nicht nötig, weil er nicht mehr gut sehe. Aber er fügte hinzu, dass er sie ganz nahe fühle. Legen wir unser Gebet für Bischof Javier Echevarría in die Hände der Jungfrau Maria, die spes nostra, unsere Hoffnung ist, und sagen wir dem Herrn Dank, dass er uns einen so guten und treuen Hirten geschenkt hat.

Basilika San Eugenio, Rom 15. Dezember 2016

1 Der Weg, 961.
2 Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer, 70.
3 Zweites Vatikanisches Konzil, Decreto Presbyterorum Ordinis, n. 5.
4 Papst Franziskus, Apostolischer Brief Misericordia et Misera, n. 2.