06. Die Schöpfung

Die Lehre von der Schöpfung ist die erste Antwort auf die Grundfragen nach unserem Ursprung und unserem Ziel.

Einleitung

Die Wahrheit von der Schöpfung ist wichtig, weil „sie die Grundlage aller göttlichen Heilspläne ist. (...) Sie ist der Anfang der Heilsgeschichte, die in Christus gipfelt“ (Kompendium, 51). Sowohl die Bibel (Gen 1,1) als auch das Credo beginnen mit dem Bekenntnis des Glaubens an den Schöpfergott.

Zum Unterschied von den anderen großen Geheimnissen unseres Glaubens (Dreifaltigkeit und Menschwerdung) ist die Schöpfung die „erste Antwort auf die Grundfragen des Menschen nach seinem Ursprung und seinem Ziel“ (Kompendium, 51), die sich der menschliche Geist stellt und die er zum Teil auch beantworten kann, wie die philosophische Reflexion und die Berichte von den Uranfängen zeigen, die sich in der religiösen Überlieferung vieler Völker finden (vgl. Katechismus, 286). Aber die spezifische Bedeutung des Begriffs Schöpfung wurde erst in der jüdisch–christlichen Offenbarung wirklich erfasst.

Die Schöpfung ist also ein Glaubensgeheimnis und zugleich eine der Vernunft zugängliche Wahrheit (vgl. Katechismus, 286). Diese eigentümliche Stellung zwischen Glauben und Vernunft macht die Schöpfung zu einem guten Ausgangspunkt für das Werk der Evangelisierung und für den Dialog, den zu führen die Christen immer – und heute in besonderer Weisei – berufen sind, wie ihn schon Paulus in Athen auf dem Areopag geführt hat (Apg 17,16-34).

Man pflegt zu unterscheiden zwischen dem Schöpfungsakt Gottes (Schöpfung active sumpta) und der geschaffenen Wirklichkeit, die aus ihm hervorgeht (Schöpfung passive sumpta)ii. Nach diesem Schema werden nun die wichtigsten dogmatischen Aspekte der Schöpfung dargelegt.

1. Der Schöpfungsakt

1.1. „Die Schöpfung ist das gemeinsame Werk der heiligsten Dreifaltigkeit“ (Katechismus, 292)

Die Offenbarung stellt die Schöpfungstat Gottes als Frucht seiner Allmacht, seiner Weisheit und seiner Liebe dar. Die Schöpfung wird gewöhnlich in besonderer Weise dem Vater zugeordnet (vgl. Kompendium, 52), so wie die Erlösung dem Sohn und die Heiligung dem Heiligen Geist zugeschrieben wird. Andererseits sind die Werke der Dreifaltigkeit ad extra (deren erstes die Schöpfung ist) allen drei Personen gemeinsam, so dass man sich fragen kann, welche besondere Rolle jeder einzelnen Person zukommt, da „jede göttliche Person das gemeinsame Werk gemäß ihrer persönlichen Besonderheit“ wirkt (Katechismus, 258). Das ist auch der Grund, warum die hauptsächlichen Wesenseigenschaften Gottes (Allmacht, Weisheit, Liebe) jeweils dem Schöpferwirken des Vaters, des Sohnes bzw. des Heiligen Geistes zugeordnet werden.

Im Nizäno-Konstantinopolitanischen Credo bekennen wir unseren Glauben „an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen Vater, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde“; „an den einen Herrn Jesus Christus [...]; durch ihn ist alles geschaffen“; und „an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht“ (DH 150). Der christliche Glaube spricht also nicht nur von einer Schöpfung ex nihilo (aus dem Nichts), die auf die Allmacht des Vaters verweist; diese Schöpfung ist auch vernünftig und entspricht somit der göttlichen Weisheit – dem Logos, durch den alles geworden ist (vgl. Joh 1,3) –; und sie erfolgt ex amore (GS 19) – als Frucht der Freiheit und der Liebe, die Gott selbst ist, also der Heilige Geist, der vom Vater und vom Sohn ausgeht. Die ewigen Hervorgänge der Personen stehen also am Ursprung ihres schöpferischen Wirkensiii.

So wie es keinen Widerspruch zwischen der Einzigkeit Gottes und seiner Dreipersönlichkeit gibt, so steht in analoger Weise auch nicht die Einzigkeit des schöpferischen Prinzips im Widerspruch zur Verschiedenheit der Wirkweise der einzelnen Personen.

Schöpfer des Himmels und der Erde“

„’Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde’ (Gen 1,1). Drei Dinge werden in diesen ersten Worten der Schrift ausgesagt: Der ewige Gott hat alles, was außer ihm existiert, ins Dasein gerufen; er allein ist Schöpfer (das Zeitwort ‚erschaffen’ [hebr. ‚bara’] hat stets Gott zum Subjekt); alles, was existiert – ‚Himmel und Erde’ –, hängt von Gott ab, der das Dasein gibt“ (Katechismus, 290).

Nur Gott kann im eigentlichen Sinn erschaffeniv, denn Erschaffen bedeutet Hervorbringen der Dinge aus dem Nichts (ex nihilo) und nicht aus schon Bestehendem. Dazu bedarf es einer unendlichen Wirkmacht, die nur Gott zukommt (vgl. Katechismus, 296-298). Es ist deshalb angemessen, die schöpferische Allmacht dem Vater zuzuschreiben, insofern er – einem klassischen Ausdruck zufolge – in der Trinität fons et origo ist, also die Person, aus der die beiden anderen hervorgehen. Der Vater ist Anfang ohne Anfang.

Für den christlichen Glauben ist der grundlegende Unterschied aller Wirklichkeit der zwischen Gott und seinen Geschöpfen. Das war etwas Neues in den ersten Jahrhunderten, als die Polarität zwischen Materie und Geist zu miteinander unversöhnbaren Auffassungen führte (Materialismus und Spiritualismus, Dualismus und Monismus). Das Christentum sprengte diese Modelle vor allem durch die Behauptung, auch die Materie sei, genauso wie der Geist, eine Schöpfung des einzigen transzendenten Gottes. Später entwickelte der heilige Thomas eine Metaphysik der Schöpfung, in der Gott als das subsistente Sein beschrieben wird (Ipsum Esse Subsistens). Als Erstursache ist er der Welt gegenüber absolut transzendent; zugleich aber ist er, da die Geschöpfe an seinem Sein teilhaben, in diesen auf das innigste gegenwärtig, so dass sie in allem von ihm, der Quelle allen Seins, abhängen. Gott ist superior summo meo („höher als mein Höchstes“) und zugleich intimior intimo meo („innerlicher als mein Innerstes“) (hl. Augustinus, Bekenntnisse, 3, 6, 11; vgl. Katechismus, 300).

Durch ihn ist alles geschaffen“

Die Weisheitsliteratur des Alten Testaments stellt die Welt als Frucht der Weisheit Gottes dar (vgl. Weish 9,9). „Sie ist nicht das Ergebnis irgendeiner Notwendigkeit, eines blinden Schicksals oder Zufalls“ (Katechismus, 295), sondern ist für den Verstand des Menschen, der am Licht der göttlichen Vernunft teilhat, erfassbar, wenngleich nicht ohne Mühe und nur in einer Haltung der Demut und Hochachtung vor dem Schöpfer und seinem Werk (vgl. Ijob 42,3; Katechismus, 299). Diese Auffassung wird im Neuen Testament voll entfaltet, wenn der Sohn, Jesus Christus, mit dem Logos identifiziert wird (vgl. Joh 1,1 ff), und wir erfahren, dass die Weisheit Gottes eine Person ist: das Fleisch gewordene Wort, durch das alles geschaffen wurde (vgl. Joh 1,3). Paulus erklärt diese Beziehung der ganzen Schöpfung zu Christus, indem er schreibt: „In ihm wurde alles erschaffen (...); alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen“ (Kol 1,16).

Es gibt also am Ursprung des Kosmos eine schöpferische Vernunft (vgl. Katechismus, 284)v. Das Christentum zeichnet sich von Anfang an durch ein großes Vertrauen auf die Erkenntnisfähigkeit des menschlichen Verstandes aus und ist sich dessen gewiss, dass der Verstand (Wissenschaft, Philosophie usw.) niemals zu Ergebnissen kommen kann, die dem Glauben widersprechen, da Vernunft und Glaube denselben Ursprung haben.

Man begegnet nicht selten Personen, die falsche Gegensätze sehen wollen, etwa zwischen Schöpfung und Evolution. Eine korrekte Epistemologie hingegen unterscheidet nicht nur die verschiedenen Erkenntnisebenen von Naturwissenschaft und Glaube, sondern betrachtet darüber hinaus die Philosophie als eine notwendige Vermittlungsinstanz, da einerseits die Wissenschaften aufgrund ihrer Methoden und ihrer Zielsetzung nicht den ganzen Bereich der menschlichen Vernunft erfassen und andererseits der Glaube, der sich wie die Wissenschaften mit derselben Welt auseinandersetzt, philosophische Kategorien benötigt, um sich auszudrücken und mit der menschlichen Rationalität in Dialog zu tretenvi.

Die Kirche hat deshalb von Anfang an den Dialog mit der Vernunft gesucht: mit einer Vernunft, die sich ihres geschaffenen Charakters bewusst ist, da sie sich weder selbst hervorgebracht hat noch ganz über ihre Zukunft verfügt; einer Vernunft, die für das, was sie übersteigt, offen ist, offen also letztlich für die Ur-Vernunft. Eine menschliche Vernunft hingegen, die sich in sich selbst verschließt und die glaubt, die Antwort auf ihre letzten Fragen aus sich selbst geben zu können, kommt paradoxerweise am Ende dazu, die Existenz für sinnlos zu erklären und die Verstehbarkeit des Wirklichen zu leugnen (Nihilismus, Irrationalismus usw.).

Der Herr ist und lebendig macht“

„Wir glauben, dass sie [die Welt] aus dem freien Willen Gottes hervorgeht, der die Geschöpfe an seinem Sein, seiner Weisheit und Güte teilhaben lassen wollte: ‚Denn du bist es, der die Welt erschaffen hat, durch deinen Willen war sie und wurde sie erschaffen’ (Offb 4,11). (...). ‚Der Herr ist gütig zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken’ (Ps 145,9)“ (Katechismus, 295). „Weil die Schöpfung aus der göttlichen Güte hervorgegangen ist, hat sie an dieser Güte teil (‚Gott sah, dass es gut war ..., sehr gut’: Gen 1,4. 10. 12. 18. 21. 31). Die Schöpfung ist von Gott gewollt als ein Geschenk“ (Katechismus, 299).

Weil die Schöpfung aus Güte erfolgt und freies Geschenk ist, können wir in ihr das Wirken des Heiligen Geistes erkennen, der „über dem Wasser schwebte“ (vgl. Gen 1,2), ist doch der Geist die als Gabe bezeichnete Person der Dreifaltigkeit, die subsistierende Liebe zwischen Vater und Sohn. Die Kirche bekennt ihren Glauben an das schöpferische Wirken des Heiligen Geistes, der Lebensspender und Quell alles Guten istvii.

Die christliche Überzeugung von der Freiheit der göttlichen Schöpfungstat hilft Ansichten überwinden, die in Gott eine Notwendigkeit hineintragen und damit zum Fatalismus oder Determinismus führen. Es gibt weder „in“ noch „außerhalb“ Gottes etwas, das ihn nötigen würde, etwas zu erschaffen. Welches Ziel bewegt ihn aber dann dazu? Was strebte er an, als er uns schuf?

1.2. „Die Welt wurde zur Ehre Gottes geschaffen“ (I. Vatikanisches Konzil)

Gott hat alles geschaffen „nicht um seine Herrlichkeit zu mehren, sondern um sie zu bekunden und mitzuteilen“ (hl. Bonaventura, Sent. 2, 1.2.2.1). Das I. Vatikanische Konzil (1870) lehrt: Der „alleinige wahre Gott hat in seiner Güte und ‚allmächtigen Kraft’ – nicht um seine Seligkeit zu vermehren noch um (Vollkommenheit) zu erwerben, sondern um seine Vollkommenheit zu offenbaren durch die Güter, die er den Geschöpfen gewährt – aus völlig freiem Entschluss vom Anfang der Zeit an aus nichts zugleich beide Schöpfungen begründet, die geistige und die körperliche’“ (DS 3002; vgl. Katechismus, 293).

„Gottes Ehre ist es, dass sich seine Güte zeigt und mitteilt. Dazu ist die Welt geschaffen. ‚Er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen, zum Lob seiner herrlichen Gnade’ (Eph 1,5-6). ‚Denn Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch; das Leben des Menschen aber ist die Anschauung Gottes’ (hl. Irenäus, Adversus haereses 4,20.7)“ (Katechismus, 294).

Fern von der Dialektik einander entgegengesetzter Prinzipien (wie im manichäischen Dualismus und auch im monistischen Idealismus Hegels) bedeutet die Verherrlichung Gottes als Ziel der Schöpfung keineswegs die Negation des Menschen, sie ist vielmehr eine unerlässliche Voraussetzung für seine Verwirklichung. Der christliche Optimismus wurzelt in der gleichzeitigen Verherrlichung Gottes und des Menschen: „Nur wenn Gott groß ist, ist auch der Mensch groß“viii. Es handelt sich um einen Optimismus und eine Logik, welche die absolute Priorität des Guten behaupten, aber deswegen nicht blind sind für die Präsenz des Bösen in Welt und Geschichte.

1.3. Erhaltung und Vorsehung. Das Böse

Die Schöpfung betrifft nicht nur die Anfänge. „Nach der Schöpfung überlässt Gott sein Geschöpf nicht einfach sich selbst. Er gibt ihm nicht nur das Sein und das Dasein, sondern er erhält es auch in jedem Augenblick im Sein, gibt ihm die Möglichkeit zu wirken und bringt es an sein Ziel“ (Katechismus, 301). Die Heilige Schrift vergleicht dieses Handeln Gottes in der Geschichte mit seinem Schöpfungswirken (vgl. Jes 44,24; 45,8; 51,13). Die Weisheitsliteratur erläutert ausdrücklich das Handeln Gottes zur Erhaltung seiner Geschöpfe. „Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben, oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre?“ (Weish 11,25). Der heilige Paulus geht weiter und schreibt die Erhaltung Christus zu: „Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand“ (Kol 1,17).

Der Gott der Christen ist kein Uhrmacher oder Architekt, der, nachdem er sein Werk vollbracht hat, es sich selbst überlässt. Diese Vorstellung ist typisch für den Deismus, dessen Grundsätzen gemäß sich Gott nicht in die Angelegenheiten dieser Welt einmischt. Das aber bedeutet eine Verzerrung der wahren Lehre vom Schöpfergott durch die drastische Trennung von Schöpfung, Erhaltung und göttlicher Weltregierungix.

Der Begriff der Erhaltung schlägt die Brücke von der Schöpfungstat zur göttlichen Weltregierung (Vorsehung). Gott erschafft und erhält die Welt nicht nur, sondern führt „seine Geschöpfe zu der letzten Vollkommenheit (...), zu der er sie berufen hat“ (Kompendium, 55). Die Heilige Schrift zeigt die absolute Souveränität Gottes und bezeugt ständig seine väterliche Fürsorge, sowohl im Allerkleinsten als auch in den großen Ereignissen der Geschichte (vgl. Katechismus, 303). In diesem Zusammenhang erscheint Jesus als die Fleisch gewordene Vorsehung Gottes, der als Guter Hirte sich der materiellen und spirituellen Bedürfnisse der Menschen annimmt (Joh 10, 11.14-15; Mt 14, 13-14, etc.) und uns lehrt, uns seiner Vorsorge anzuvertrauen (Mt 6, 31-33).

Wenn Gott alles voller Güte schafft, erhält und lenkt, woher kommt dann das Böse? „Jede vorschnelle Antwort auf diese ebenso bedrängende wie unvermeidliche, ebenso schmerzliche wie geheimnisvolle Frage wird unbefriedigt lassen. Der christliche Glaube als ganzer ist die Antwort auf diese Frage (...). Es gibt kein Element der christlichen Botschaft, das nicht auch Antwort auf das Problem des Bösen wäre“ (Katechismus, 309).

Die Schöpfung war nicht mit ihrem Beginn bereits abgeschlossen. Gott hat sie vielmehr in statu viae erschaffen, also im Hinblick auf ein noch zu erreichendes Ziel. Zur Verwirklichung seiner Absichten bedient er sich der Mitwirkung seiner Geschöpfe und gewährt den Menschen eine Teilhabe an seiner Vorsehung, wobei er ihre Freiheit auch dann respektiert, wenn sie schlecht handeln (vgl. Katechismus, 302, 307 und 311). Wirklich erstaunlich ist dabei, dass Gott „in seiner allmächtigen Vorsehung sogar aus den Folgen eines durch seine Geschöpfe verursachten moralischen Übels etwas Gutes zu ziehen vermag“ (Katechismus, 312). Es ist eine geheimnisvolle, aber großartige Wahrheit, „dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Röm 8, 28)x.

Die Anwesenheit des Bösen scheint auf eine Spannung zwischen göttlicher Allmacht und göttlicher Güte hinzuweisen, die sein Handeln in der Geschichte kennzeichnet. Die – sicher geheimnisvolle – Antwort darauf ist das Kreuz Christi. Es offenbart, „wie Gott ist“, und wird damit zu einem Quell der Weisheit für den Menschen (sapientia crucis).

1.4. Schöpfung und Heil

Die Schöpfung „ist der erste Schritt zum Bund des einen Gottes mit seinem Volk“ (Kompendium, 51). Nach der Bibel ist die Schöpfung offen für das Heilshandeln Gottes in der Geschichte, das im Paschamysterium Christi seine Fülle erreicht und am Ende der Zeiten seine Vollendung findet. Die Schöpfung geht auf den Sabbat zu, auf den siebten Tag, an dem Gott ruhte. An diesem Tag kommt die erste Schöpfung zu ihrem Höhepunkt, um sich auf den achten Tag hin zu öffnen, an dem ein noch herrlicheres Werk beginnt: die Erlösung, die neue Schöpfung in Christus (2 Kor 5,17; vgl. Katechismus, 345-349).

Hier zeigt sich die Kontinuität und Einheit des göttlichen Plans von Schöpfung und Erlösung. Zwischen ihnen besteht kein Bruch (denn die Sünde der Menschen hat das göttliche Werk nicht völlig zerstört), sondern ein Zusammenhang. Man könnte sagen, dass dieses Band von Schöpfung und Erlösung darin besteht, dass einerseits die Schöpfung das erste Heilsereignis ist und dass andererseits die Erlösung den Charakter einer Neuschöpfung hat. Dieses Verhältnis beleuchtet wichtige Aspekte des christlichen Glaubens, wie die Hinordnung der Natur auf die Gnade oder die Existenz eines einzigen übernatürlichen Ziels des Menschen.

2. Die geschaffene Wirklichkeit

Das Ergebnis des göttlichen Schöpfungsaktes ist die gesamte geschaffene Welt, „Himmel und Erde“ (Gen 1,1). Gott ist „der Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren, des Geistigen und des Körperlichen: er schuf in seiner allmächtigen Kraft vom Anfang der Zeit an aus nichts zugleich beide Schöpfungen, die geistige und die körperliche, nämlich die der Engel und die der Welt: und danach die menschliche, die gewissermaßen zugleich aus Geist und Körper besteht“xi.

So überwindet das Christentum sowohl den Monismus (der behauptet, dass Materie und Geist dasselbe sind bzw. dass Gott mit der Welt identisch ist) als auch den Dualismus (für den Materie und Geist gegensätzliche Urprinzipien sind).

Die Schöpfungstat gehört zur Ewigkeit Gottes, ihr Ergebnis ist hingegen durch die Zeitlichkeit gekennzeichnet. Die Offenbarung hält fest, dass die Welt als solche einen zeitlichen Anfang hatxii, dass also Welt und Zeit zugleich erschaffen wurden, was durchaus der Einheit des göttlichen Planes entspricht, sich in der Heilsgeschichte zu offenbaren.

2.1 Die geistige Welt: die Engel

„Dass es geistige, körperlose Wesen gibt, die von der Heiligen Schrift für gewöhnlich ‚Engel’ genannt werden, ist eine Glaubenswahrheit. Das bezeugt die Schrift ebenso klar wie die Einmütigkeit der Überlieferung“ (Katechismus, 328). Beide sprechen von ihrer doppelten Aufgabe, Gott zu lobpreisen und ihm als Boten seines Heilsratschlusses zu dienen. Das Neue Testament verweist auf die Beziehung der Engel zu Christus: Sie sind durch ihn und auf ihn hin geschaffen (Kol 1,16), sie begleiten das Leben Jesu von seiner Geburt bis zur Himmelfahrt und verkünden seine Wiederkunft in Herrlichkeit (vgl. Katechismus, 333).

Auch vom Beginn an sind sie im Leben der Kirche präsent, die ihre machtvolle Hilfe erfährt und sich in der Liturgie mit ihnen zur Anbetung Gottes vereint. Jeder Mensch wird von der Geburt an von einem Engel begleitet, der ihn beschützt und zum ewigen Leben hinführt (vgl. Katechismus, 334-336).

Die Theologie (besonders der hl. Thomas von Aquin, der Doctor Angelicus) und das Lehramt der Kirche haben sich eingehend mit der Natur dieser reinen Geistwesen befasst, die mit Vernunft und Willen begabt sind, und haben betont, dass es sich um personale und unsterbliche Geschöpfe handelt, die alle sichtbaren Kreaturen an Vollkommenheit übertreffen (vgl. Katechismus, 330).

Die Engel wurden in einem Zustand der Prüfung erschaffen. Einige haben unwiderruflich gegen Gott rebelliert. Satan und die anderen Dämonen, die gut erschaffen wurden, aber durch ihren Fall aus eigener Schuld böse geworden sind, haben unsere Stammeltern zur Sünde verführt (vgl. Katechismus, 391-395).

2.2. Die materielle Welt

„Gott selbst hat die sichtbare Welt mit all ihrem Reichtum, ihrer Vielfalt, ihrer Ordnung erschaffen. Die Schrift stellt das Schöpfungswerk sinnbildlich als eine Reihe von sechs göttlichen ‚Arbeitstagen’ dar, die mit der Ruhe des siebten Tages abschließen (vgl. Gen 1,1 – 2,4)“ (Katechismus, 337). „Die Kirche musste wiederholt dafür einstehen, dass die Schöpfung, einschließlich der materiellen Welt, gut ist (vgl. DS 286; 455-463; 800; 1333; 3002)“ (Katechismus, 299).

„Durch ihr Geschaffensein selber nämlich haben alle Einzelwirklichkeiten ihren festen Eigenstand, ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Gutheit sowie ihre Eigengesetzlichkeit und ihre eigenen Ordnungen“ (GS 36,2). Die Wahrheit und die Güte des Geschaffenen stammen von dem einen Schöpfergott, der zugleich dreifaltig ist. So ist die geschaffene Welt eine Art Widerschein des Wirkens der drei göttlichen Personen: „In allen Geschöpfen findet sich ein Bild der Dreifaltigkeit in der Weise einer Spur“xiii.

Als Werk Gottes hat der Kosmos Schönheit und Würde. Unter den Geschöpfen gibt es Solidarität und Hierarchie, was zu einer kontemplativen Haltung der Achtung gegenüber dem Geschaffenen und seinen natürlichen Gesetzen führen muss (vgl. Katechismus, 339, 340, 342, 354). Ohne Zweifel wurde der Kosmos um des Menschen willen geschaffen, dem Gott geboten hat, sich die Erde zu unterwerfen (vgl. Gen 1,28). Diese Weisung ist nicht eine Aufforderung zur despotischen Ausbeutung der Natur, sondern zur Teilnahme an der Schöpfermacht Gottes. Durch seine Arbeit wirkt der Mensch an der Vervollkommnung der Schöpfung mit.

Der Christ teilt die gerechten Forderungen, die eine ökologische Sensibilität in den letzten Jahrzehnten offen gelegt hat, ohne dabei in eine vage Vergöttlichung der Welt zu verfallen. Er behauptet die Überlegenheit des Menschen über die anderen Geschöpfe und sieht in ihm den „Gipfel des Schöpfungswerkes“ (Katechismus, 343).

2.3. Der Mensch

Der Mensch nimmt im Schöpfungswerk Gottes eine besondere Stellung ein, da er sowohl an der materiellen als auch an der geistigen Wirklichkeit teilhat. Nur von ihm sagt die Schrift, dass er von Gott „als unser Abbild, nach unserer Gestalt“ (Gen 1,26) gemacht sei. Er wurde von Gott zum Haupt der sichtbaren Welt bestellt und hat eine besondere Würde: „Von allen sichtbaren Geschöpfen ist einzig der Mensch ‚fähig, seinen Schöpfer zu erkennen und zu lieben’ (GS 12,3); er ist ‚auf Erden das einzige Geschöpf ..., das Gott um seiner selbst willen gewollt hat’ (GS 24,3); er allein ist berufen, in Erkenntnis und Liebe am Leben Gottes teilzuhaben. Auf dieses Ziel hin ist er geschaffen worden, und das ist der Hauptgrund für seine Würde“ (Katechismus, 356; vgl. ebd. 1701-1703).

Mann und Frau sind in ihrer einander ergänzenden Verschiedenheit gottgewollt und haben die gleiche personale Würde (vgl. Katechismus, 357, 369, 372). Beide kennzeichnet die substantielle Einheit von Leib und Seele, wobei letztere die „Form“ des Leibes ist. Jede Geistseele ist unmittelbar von Gott geschaffen und unsterblich. Sie ist nicht von den Eltern „hervorgebracht“ und auch nicht präexistent (vgl. Katechismus, 365 und 366). Sowohl die Geistigkeit als auch die Unsterblichkeit der Seele sind philosophisch nachweisbar. Die Behauptung, der Mensch sei ausschließlich das Resultat biologischer Evolution (absoluter Evolutionismus), ist Reduktionismus. In der Wirklichkeit gibt es ontologische Stufen, die durch Evolution allein nicht erklärbar sind. Das Gewissen und die Freiheit des Menschen etwa beweisen seine Überlegenheit über die materielle Welt und sind Zeichen seiner besonderen Würde.

Die Wahrheit der Schöpfung hilft, sowohl die Leugnung der Freiheit zu vermeiden (Determinismus) als auch ihr Gegenteil, nämlich ihre ungebührliche Überschätzung. Die menschliche Freiheit ist eine geschaffene, nicht eine absolute Freiheit, und sie steht in Wechselbeziehung zur Wahrheit und zum Guten. Dem Traum von einer Freiheit als reiner Macht und Willkür liegt nicht nur ein verzerrtes Bild des Menschen, sondern auch ein falsches Gottesbild zugrunde.

Durch sein Wirken und seine Arbeit hat der Mensch Anteil an der Schöpfermacht Gottesxiv. Außerdem sind sein Verstand und sein Wille, einem Funken gleich, Teilhabe an der göttlichen Weisheit und Liebe. Während die übrige sichtbare Welt nur eine Spur der Dreifaltigkeit ist, ist das menschliche Wesen wahre imago Trinitatis.

3. Einige praktische Folgen aus der Wahrheit über die Schöpfung

Die Radikalität der göttlichen Schöpfungs- und Heilstat verlangt vom Menschen eine Antwort, die gleichfalls total sein muss: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken“ (Dtn 6,5; vgl. Mt 22,37; Mk 12,30; Lk 10,27). Der Mensch findet das wahre Glück in dieser Antwort, und nur in ihr gewinnt er seine ganze Freiheit.

Die Universalität des göttlichen Wirkens hat sowohl intensiven als auch extensiven Charakter: Gott schafft und rettet jeden Menschen und alle Menschen. Die Antwort auf den Ruf Gottes, ihn aus ganzem Herzen zu lieben, ist aufs engste damit verbunden, allen seine Liebe zu bringenxv.

Der Mensch, der Gottes Macht, Weisheit und Liebe erfasst und bewundert, nimmt vor ihm eine Haltung der Ehrfurcht, der Anbetung und der Demut ein; er lebt in Gottes Gegenwart und ist sich bewusst, sein Sohn bzw. seine Tochter zu sein. Der Glaube an die Vorsehung erweckt im Christen eine Haltung kindlichen Vertrauens auf Gott in allen Lebensumständen. Er ist dankbar für die erhaltenen Güter und überlässt sich, wenn die Dinge schlecht laufen, Gott in aller Einfachheit, denn er weiß, dass Gott aus den Übeln größere Güter hervorgehen lässt.

Im Bewusstsein, dass alles zur Ehre Gottes geschaffen wurde, versucht der Christ, in allen seinen Handlungen das Ziel anzustreben, das sein Leben glücklich macht: die Verherrlichung Gottes und nicht die Befriedigung der eigenen Ehrsucht. Er bemüht sich um die Lauterkeit der Absicht in seinem ganzen Tun, so dass das einzige Ziel seines Lebens darin besteht, Gott alle Ehre zu geben: Deo omnis gloria!xvi

Gott wollte den Menschen an die Spitze seiner Schöpfung stellen und ihm die Herrschaft über die Welt anvertrauen, damit er sie durch seine Arbeit vervollkommne. Das Wirken des Menschen kann demnach als Teilhabe am göttlichen Schöpfungswerk verstanden werden.

Die Größe und Schönheit der Geschöpfe versetzt die Menschen in Staunen. Es drängt sich ihm die Frage nach dem Ursprung und der Bestimmung der Welt und des Menschen auf, und er beginnt, den Schöpfer zu erahnen. Im Dialog mit ungläubigen Menschen kann der Christ diese Fragen berühren, damit sich Verstand und Herz dem Licht des Schöpfers öffnen. Und im Dialog mit den Anhängern der verschiedenen Religionen bietet sich ihm in der Wahrheit über die Schöpfung, der sie ja zum Teil zustimmen, ein ausgezeichneter Ansatzpunkt, der auch dazu dienen kann, einige sittliche Grundwerte der Person herauszustellen.

SANTIAGO SANZ

Grundlegende Literatur:

Katechismus der katholischen Kirche, 279-374.

Kompendium des Katechismus der katholischen Kirche, 51-72.

DH Nrn. 125, 150, 800, 806, 1333, 3000-3007, 3021-3026, 4319, 4336, 4341.

II. Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, 10-18, 19-21, 36-39.

Johannes Paul II., Ich glaube an Gott den Schöpfer (Katechesen1985-1986).

Empfohlene Literatur:

Hl. Augustinus, Bekenntnisse, Buch XII.

Hl. Thomas von Aquin, Summa theologiae, I, qq. 44-46.

Hl. Josefmaria, Homilie Die Welt leidenschaftlich lieben, in Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer, 113-123.

J. Ratzinger, Im Anfang schuf Gott. Vier Predigten über Schöpfung, Fall und Konsequenzen des Schöpfungsglaubens, Einsiedeln 2014

Johannes Paul II., Erinnerung und Identität, München 2005.


i Unter den vielen Stellungnahmen vgl. besonders Benedikt XVI., Ansprache an die Mitglieder der Römischen Kurie, 22.12.2005; Ansprache in Regensburg, Glaube, Vernunft und Universität, 12.9.2006; Angelus, 28.1.2007.

ii Vgl. hl. Thomas von Aquin, De Potentia, q.3, a.3, c. Im Katechismus wird nach dem gleichen Schema vorgegangen.

iii Vgl. hl. Thomas von Aquin, Super Sent., lib. 1, d.14, q.1, a.1, c.: „Sie sind Ursache und Grund für den Hervorgang der Geschöpfe“.

iv Daher sagt man, dass Gott, um zu erschaffen, keine Werkzeuge braucht, denn kein Werkzeug verfügt über die unendliche Macht, der es zur Schöpfung bedarf. Wenn man davon spricht, dass der Mensch etwas schafft oder an der göttlichen Schöpfungstat mitwirkt, dann verwendet man das Wort „schaffen“ und „Schöpfung“ nicht im analogen, sondern nur im metaphorischen Sinn.

v Dieser Punkt begegnet oft in der Lehre Benedikts XVI., z.B. in der Homilie in Regensburg (12.9.2006), in der Ansprache in Verona (19.10.2006), beim Treffen mit dem Klerus der Diözese Rom (22.2.2007), usw.

vi Sowohl der wissenschaftsgläubige Rationalismus als auch der unwissenschaftliche Fideismus bedürfen einer Korrektur durch die Philosophie. Darüber hinaus ist die falsche Apologetik derer zu vermeiden, die mit Hilfe wissenschaftlicher Daten und Experimente Konkordanzen konstruieren, die der Demonstration von Glaubenswahrheiten dienen sollen, obwohl – wie bereits gesagt – diese Daten auf anderen Methoden und Disziplinen beruhen.

vii Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivificantem, 18.5.1986, 10.

viii Benedikt XVI., Homilie, 15.8.2005.

ix Der Deismus impliziert eine Fehlauffassung des metaphysischen Schöpfungsbegriffes. Da Schöpfung Seinsmitteilung ist, hat sie die ontologische Abhängigkeit des Geschöpfes zur Folge, die auch bei Fortdauer in der Zeit weiterbesteht. Schöpfung und Erhaltung sind ein einziger Akt, auch wenn wir sie begrifflich unterscheiden können: „Die Erhaltung der Dinge im Sein durch Gott geschieht nicht durch eine neue Tätigkeit, sondern durch die Fortsetzung der Tätigkeit, durch die er das Sein verleiht, und diese Tätigkeit ist ohne Bewegung und Zeit“ (hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae I q.104, a.1, ad4).

x Wie viele andere im Lauf der Kirchengeschichte hat auch der heilige Josefmaria dieses Pauluswort häufig gebraucht, um zur freudigen Annahme des göttlichen Willens, wie er selbst sie lebte, aufzufordern (vgl. Die Spur des Sämanns, 127; Kreuzweg, IX, 4; Freunde Gottes, 119). Andererseits findet sich im letzten Buch Johannes Pauls II., Erinnerung und Identität, eine tiefschürfende Reflexion über das Wirken der göttlichen Vorsehung in der Menschheitsgeschichte in Auslegung einer anderen Paulusstelle: „Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute“ (Röm, 12, 21).

xi IV. Laterankonzil (1215), DH 800.

xii So lehrt das IV. Laterankonzil, auf das sich das I. Vatikanische Konzil bezieht (vgl. DH 800 bzw. DH 3002). Es handelt sich um eine Offenbarungswahrheit, die der menschliche Verstand nicht beweisen kann, wie der heilige Thomas im berühmten mittelalterlichen Disput über die Ewigkeit der Welt gezeigt hat: vgl. Contra Gentes, lib. 2, cap. 31-38, sowie sein philosophisches Werk De aeternitate mundi.

xiii Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae I, q.45, a.7, co.; vgl. Katechismus, 237.

xiv Vgl. hl. Josefmaria, Freunde Gottes, 57.

xv Dass das Apostolat ein Überfließen des Innenlebens ist (vgl. hl. Josefmaria, Der Weg, 961), erscheint wie ein Korrelat zur göttlichen Dynamik des ad intraad extra, insofern die Intensität des Seins, der Weisheit und der Liebe der heiligsten Dreifaltigkeit auf die Geschöpfe überströmt.

xvi Vgl. hl. Josefmaria, Der Weg, 780; Die Spur des Sämanns, 647; Im Feuer der Schmiede, 611, 639, 1051.