Brief des Prälaten (November 2008)

In diesem Monat steht die Kirche im Mittelpunkt des Briefes von Bischof Echevarría. Der Prälat des Opus Dei ermuntert dazu, sie zu lieben und ihr mit konkreten Taten zu dienen.

Vor wenigen Tagen fand die ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode ihren Abschluss, in der ich wieder einmal voller Freude die Einheit und Universalität der Kirche erfahren konnte. Zudem hat es mich zutiefst berührt, welches Vertrauen in die Arbeit des Opus Dei mir viele Bischöfe ganz unterschiedlicher Länder bezeugt haben. Viele bedankten sich für den apostolischen Dienst, den die Gläubigen und die Mitarbeiter des Werkes in ihren Diözesen leisten. Andere drängten mich, so bald wie möglich mit der apostolischen Arbeit in ihren Ländern oder Regionen zu beginnen. Oft habe ich an jene Träume unseres Vaters gedacht, die von seinem Gebet für die anstehende Aufgabe begleitet waren: Wir werden an vielen Orten erwartet, so erinnerte er uns.

Angesichts dieser Zeichen von Interesse und Zuneigung, angesichts so vieler drängender Rufe kamen mir von neuem jene Worte in den Sinn: „Jesus, Menschen! … Apostolische Menschen! Für dich, für deine Verherrlichung.“[1] Nehmen wir täglich diesen Ausruf auf, und lassen wir ihn in unserem Herzen widerhallen, wie unser Vater es wünschte, der uns jetzt vom Himmel aus hilft.

Es ist ein besonderes Merkmal der Christen – und wird es immer sein –, mit der Kirche auf allen Erdteilen zu vibrieren. Diese tiefe Herzensneigung zeigt sich besonders heute, am Hochfest Allerheiligen. Das Fest, das wir begehen, lädt uns nicht nur ein, die riesige Schar der Seligen zu betrachten; sie fordert uns auch auf, tiefer einzudringen in das Geheimnis der Kirche, zu der wir alle gehören: wir, die wir noch auf Erden unterwegs sind, wie auch die, die sich im Fegfeuer läutern, und die, die sich schon im Himmel an Gott erfreuen.

Ich kann nicht vergessen, mit welcher Freude der heilige Josefmaria dieser Wahrheit Ausdruck verlieh. „In der Kirche“, so schrieb er einmal, „finden wir Katholiken unseren Glauben und unsere sittlichen Normen, unser Gebet und das Bewusstsein der Brüderlichkeit, die Gemeinschaft mit allen verstorbenen Brüdern der leidenden Kirche in der Läuterung des Fegefeuers und mit jenen der triumphierenden Kirche, die den dreimal heiligen Gott schon schauen und auf ewig lieben. Es ist die Kirche, die auf der Erde lebt und zugleich über der Geschichte steht, die Kirche, die unter dem Schutz Unserer Lieben Frau geboren wurde und die sie immerfort – auf Erden wie im Himmel – als Mutter preist“.[2]

Eine der Hauptaussagen der Predigt des hl. Paulus bezieht sich gerade auf das Wesen der Kirche. Er spricht in diesem Zusammenhang von den Jüngern Jesu, die von Gott Vater zusammengerufen und durch den Heiligen Geist vereint sind, um den mystischen Leib Christi zu bilden. Benedikt XVI. hat diesen Aspekt bereits mehrere Male im Laufe dieses dem Apostel der Heiden gewidmeten Jahres hervorgehoben. Ich möchte Euch einladen, in den nächsten Wochen diese Wahrheiten zu betrachten, und greife dazu auf einige Punkte seiner Verkündigung zurück. Als Frucht dieser Überlegungen möge Gott in jedem von uns die Liebe zu unserer Mutter, der Kirche, wachsen lassen, wie auch den Wunsch, ihr zu dienen, wie sie es braucht, ganz gleich, in welcher Situation wir uns befinden.

Vor allem stellt der Papst fest, dass „seine [des Apostels] erste Begegnung mit der Person Jesu durch das Zeugnis der christlichen Gemeinde von Jerusalem geschah. (…) Die Geschichte zeigt uns, dass man normalerweise durch die Kirche zu Jesus kommt“[3]. Der Heilige Vater fügt hinzu, dass dieser erste Kontakt mit der Kirche (einer zugleich geistigen und sichtbaren Wirklichkeit) wie im Falle des Saulus „eine heftige Begegnung“ sein kann. „Kaum hatte er die neue Gruppe von Gläubigen kennengelernt, wurde er sogleich zu ihrem leidenschaftlichen Verfolger. Das bekennt er selbst an drei Stellen in drei verschiedenen Briefen.“[4]Das muss nicht immer so geschehen; vor allem, wenn wir als Christen versuchen, in unseren Worten und in unserem Verhalten die Gestalt Jesu treu widerzuspiegeln. Auf dem Weg nach Damaskus verstand der hl. Paulus, dass er, „indem er die Kirche verfolgte, Christus verfolgte. Paulus bekehrte sich also gleichzeitig zu Christus und zur Kirche. Von daher versteht man“, so schließt Benedikt XVI., „warum die Kirche später in den Gedanken, im Herzen und im Wirken des Paulus so gegenwärtig war.“[5]

Sehen wir uns noch einmal die Worte des Auferstandenen an. Auf die Frage des Saulus – Wer bist du, Herr? – antwortet Jesus: Ich bin Jesus, den du verfolgst.[6] „Dieser Ausruf des Auferstandenen, der das Leben des Saulus veränderte, enthält im Grunde die gesamte Lehre über die Kirche als den Leib Christi. Christus zog sich nicht in den Himmel zurück und ließ auf der Erde eine Gruppe von Nachfolgern zurück, damit sie „seine Sache“ verträten. Die Kirche ist keine Vereinigung, die eine gewisse Angelegenheit voranbringen will. Es handelt sich in ihr nicht um eine Sache. Es geht in ihr um die Person Jesu Christi, der auch als Auferstandener „Fleisch“ bleibt. Er hat „Fleisch und Knochen“ (Lk 24, 39), bestätigt der Auferstandene im Evangelium von Lukas vor den Jüngern, die meinten, er sei ein Geist. Er hat einen Leib. Er ist in seiner Kirche persönlich gegenwärtig.“[7]

Diese Überlegungen erhellen für uns die Wirklichkeit, dass jede Beleidigung der Kirche – ihrer Lehre, ihrer Sakramente und Institutionen, ihrer Hirten, besonders ihres sichtbaren Hauptes, des Papstes – eine Verachtung des Herrn selbst darstellt. Denn die Kirche, die wir auf der Erde sehen, ist immer, wie Paulus unzählige Male wiederholt, die Kirche Gottes, trotz der Schwächen und Irrtümer ihrer Glieder. Sie ist das Volk, das Gott Vater in seine Gegenwart gerufen hat; der Leib Christi, den Christus mit dem Preis seines Blutes gegründet hat, so dass seine Gegenwart in der Geschichte bis zum Ende der Zeiten bleibt; der Tempel des Heiligen Geist, der sich als die wahre Wohnung Gottes unter den Menschen erhebt. Mit Worten eines Kirchenvaters, die das Zweite Vatikanische Konzil aufgegriffen hat, »erscheint die ganze Kirche als ›das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk‹«[8].

Die Einheit und Dreifaltigkeit Gottes ist also der letzte Grund für die innerste Wirklichkeit und das Wesen der Kirche. „Daher wäre es ein großer Irrtum, wollte man versuchen, eine Trennung einzuführen zwischen einer charismatischen Kirche, die allein wirklich von Christus gegründet worden sei - und einer Rechts- oder Amtskirche, die als bloßes Menschenwerk und als geschichtlich bedingt anzusehen wäre. Es gibt nur eine Kirche, Christus hat nur eine Kirche gegründet: sichtbar und unsichtbar zugleich, hierarchisch aufgebaut, mit einer Struktur göttlichen Rechtes also, und mit einer im Übernatürlichen wurzelnden Dynamik, die sie beseelt, erhält und lebendig macht.“[9]

Die erhabene Sicht der Kirche, die wir in den Briefen des hl. Paulus finden, begründet seine starken Worte, wenn ihre Einheit oder ihre Universalität bedroht ist. Die Christen von Korinth, die dazu neigten, einander widerstreitende Parteien zu bilden, ermahnt er: Es wurde mir nämlich, meine Brüder, berichtet, dass es Zank und Streit unter euch gibt. Ich meine damit, dass jeder von euch etwas anderes sagt: Ich halte zu Paulus – ich zu Apollos – ich zu Kephas – ich zu Christus. Ist denn Christus zerteilt? Wurde etwa Paulus für euch gekreuzigt? Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft worden?[10]

Die Verteidigung der Einheit und ebenso der Universalität dieser heiligen Mutter ist eine vorherrschende Leidenschaft im Leben des Apostels. „Er hatte vom ersten Augenblick an verstanden, sagt der Papst, dass dies eine Wirklichkeit ist, die nicht nur die Juden betraf oder eine bestimmte Personengruppe, sondern dass sie universale Bedeutung hatte und alle betraf, weil Gott der Gott aller ist“[11].Und so erklärt das so genannte Konzil von Jerusalem angesichts der Gefahr, dass die erste christliche Gemeinde in den engen Grenzen der Synagoge eingeschlossen blieb, dass alle Männer und Frauen, gleich welcher Rasse, Sprache oder Nation, zur vollen Eingliederung in die Kirche Christi[12] gerufen sind, in der gilt: Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid „einer“ in Christus Jesus.[13]

Aus dieser Zugehörigkeit der Kirche zu Christus „folgt natürlich unsere Pflicht, wirklich in Übereinstimmung mit Christus zu leben. Daraus ergeben sich auch die Ermahnungen des Paulus hinsichtlich der verschiedenen Charismen, die die christliche Gemeinde beseelen und ihr eine Struktur geben. Sie lassen sich alle auf eine einzige Quelle zurückführen, die der Geist des Vaters und des Sohnes ist, wobei man wohl weiß, dass es in der Kirche niemanden gibt, der ohne Charismen ist, wie der Apostel schreibt: »Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt« (1 Kor 12,7).“[14]Ist Deine Bitte pro unitate apostolatus ehrlich gemeint? Wie betest Du für alle, die ihr Leben für die Kirche einsetzen? Gelangst Du mit deinem Gebet bis zum letzten Platz, an dem man für Christus arbeitet?

Wie dankbar müssen wir Gott sein, dass nach seinem Willen die Kirche zugleich eine und so vielgestaltig ist! Welche Achtung müssen wir vor allen Zeichen empfinden, mit denen der Heilige Geist die Braut Christi schmücken will! „In der Kirche gibt es verschiedene Dienste, aber nur ein einziges Ziel: die Heiligung der Menschen. Und an diesem Werk haben auf irgendeine Weise kraft des in Taufe und Firmung empfangenen Prägemales alle Christen teil. Alle müssen wir uns für diese Sendung der Kirche verantwortlich fühlen, die ja die Sendung Christi ist.“[15] Niemand ist in der Kirche überflüssig, alle sind notwendig. Wichtig ist die Einheit mit ihrem sichtbaren Haupt, mit den Hirten und mit dem ganzen Volk Gottes – jeder Einzelne gemäß dem Ruf und der Gnade, die er erhalten hat.

Im Rahmen der ekklesiologischen Aussagen des hl. Paulus erhält die theologische und rechtliche Wirklichkeit des Werkes – das ein kleiner Teil der Kirche ist – ihre umfassende Bedeutung. Das möchte ich gerade jetzt betrachten, da das besondere marianische Jahr zu Ende geht, das ich ausgerufen habe, um das silberne Jubiläum der päpstlichen Errichtung der Prälatur zu begehen. Die apostolische Arbeit des Opus Dei – seiner Gläubigen, Laien wie Priestern – ist notwendigerweise eine Zusammenarbeit mit der pastoralen Vitalität der Teilkirchen, in denen die Prälatur lebt und wirkt.

Daran erinnerte der Diener Gottes Johannes Paul II. mit großer Zuneigung, als er von der »hierarchischen Natur des Opus Dei« sprach und dann hinzufügte: »Die Zugehörigkeit der Laienmitglieder sowohl zu ihrer jeweiligen Teilkirche als auch zur Prälatur, in der sie eingegliedert sind, hat zur Folge, dass die besondere Sendung der Prälatur in die Evangelisierungsbemühungen jeder Teilkirche mündet, wie dies das II. Vatikanische Konzil vorgesehen hat, als es die Einrichtung der Personalprälaturen ins Auge fasste.«[16]

Das ist ein Hinweis mehr auf einen Aspekt, den Benedikt XVI. kürzlich unterstrich: „Und so sehen wir, dass »die Kirche Gottes« nicht nur eine Summe von verschiedenen Ortskirchen ist, sondern dass die verschiedenen Ortskirchen ihrerseits Verwirklichungen der einen Kirche Gottes sind. Alle zusammen sind »die Kirche Gottes«, die den einzelnen Ortskirchen vorausgeht und in ihnen zum Ausdruck kommt, sich in ihnen verwirklicht.“[17]Das Opus Dei, das im Dienst an der Kirche, dem Papst und allen Menschen steht, erfüllt dieses Ziel als eine der Institutionen, die der Papst errichten kann, um besondere pastorale Aufgaben zu übernehmen, und die »als solche zur Gesamtkirche gehören, wiewohl ihre Mitglieder auch Mitglieder der Teilkirchen sind, innerhalb derer sie leben und wirken. (…) Das tut der im Bischof gründenden Einheit der Teilkirche nicht nur keinen Abbruch, sondern trägt dazu bei, dieser Einheit die für die Communio charakteristische innere Vielfalt und Verschiedenheit zu verleihen.«[18]

In diesem Zusammenhang freut es mich, Euch mitteilen zu können, dass wir im Rahmen der apostolischen Arbeit in Indonesien ein Zentrum eröffnet haben, und dass, wenn Gott will, der Augenblick sehr nahe ist, dass es das erste Zentrum in Bukarest geben wird. Auch in Bulgarien und Korea bereiten wir uns auf die kontinuierliche Arbeit am Ort vor. Ich empfehle Eurem Gebet und dem Gebet aller, die an der Arbeit des Werkes Anteil haben, die apostolische Expansion in diese und so viele andere Orte.

Den Spuren unseres Vaters folgend bin ich in Paris in der Rue du Bac gewesen, um dort vor dem Bild der Wundertätigen Medaille zu beten. Dort habe ich Euer Gebet zu Maria getragen, damit sie uns hilft, das große Wunder zu vollbringen, das alltägliche Leben in heroische Heiligkeit zu verwandeln. Wir wollen in diesen letzten Tagen des marianischen Jahres – und dann unser ganzes Leben – fest die Hand der Muttergottes ergreifen und ihren Hinweis befolgen, den sie den Dienern in Kana gab: Was er euch sagt, das tut![19] Versuchen wir, jene Knechte nachzuahmen, richten wir – alle – unseren Willen darauf, usque ad summum – ganz und gar – mit Gebet und Arbeit dieser Aufforderung zu entsprechen.

Bevor ich schließe, möchte ich Euch wiederum bitten, Euch mit meinen Anliegen zu vereinen, besonders in der Heiligen Messe. Betet in diesen Tagen für Eure Brüder, denen ich am 22. November, dem Vorabend des Hochfestes Christkönig, in Rom die Diakonatsweihe spenden werde.

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[1] Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 804

[2] Hl. Josefmaria, Homilie Das übernatürliche Ziel der Kirche, 28.5.1972

[3] Benedikt XVI., Ansprache bei der Generalaudienz, 22.11.2006

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Apg 9, 5

[7] Benedikt XVI., Homilie bei der Eröffnung des Paulusjahres, 28.6.2008

[8] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. Lumen gentium, Nr. 4; vgl. hl. Cyprian, Traktat über das Vaterunser, 23

[9] Hl. Josefmaria, Homilie Das übernatürliche Ziel der Kirche, 28.5.1972

[10] 1 Kor 1, 11-13

[11] Benedikt XVI., Ansprache bei der Generalaudienz, 25.10.2006

[12] Vgl. Apg 15, 23-29

[13] Gal 3, 28

[14] Benedikt XVI., Ansprache bei der Generalaudienz, 22.11.2006

[15] Hl. Josefmaria, Homilie Loyal zur Kirche, 4.6.1972

[16] Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer eines Kongresses über das apostolische Schreiben „Novo millennio ineunte“, 17.3.2001

[17] Benedikt XVI., Ansprache bei der Generalaudienz, 15.10.2008

[18] Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Communionis notio, 28.5.1992, Nr. 16

[19] Joh 2, 5