„Es ist Zeit, sich Gottes Wirken zu öffnen”

Vollständige Fassung eines Interviews mit dem Prälaten des Opus Dei, Fernando Ocáriz, veröffentlicht in der portugiesischen Zeitung „Jornal de Noticias“ – Rosa Ramos

Ich habe mit einigen Ihrer früheren Studenten gesprochen. Sie haben mir erzählt, dass Sie Ihre Vorlesungen in Fundamentaltheologie auswendig gehalten haben, ohne in Büchern nachschlagen zu müssen und indem Sie im Hörsaal auf- und abgegangen sind. Haben Sie ein so gutes Gedächtnis?

Seither sind schon einige Jahre vergangen, und ich kann mich im Einzelnen nicht erinnern. Auch wenn das Gedächtnis hilft, ist in theologischen Lehrveranstaltungen vor allem die Tatsache bedeutsam, dass man über Dinge spricht, die in der Mitte des eigenen Lebens stehen, und nicht nur über Daten, an die man sich erinnert.

Wenn ich Sie nach den Veränderungen frage, die es in der Prälatur geben könnte, wäre das paradox? Manchmal wirft man euch vor, unbeweglich und konservativ zu sein, als hättet ihr Angst vor jeder Veränderung…

Die Institutionen der Kirche, wie das Opus Dei eine ist, stehen vor der Herausforderung, im Vollzug der Sendung, die sie erhalten haben, Jesus Christus in jedem historischen Augenblick die Treue zu halten. Mit Gottes Hilfe versuchen sie, auf eine den Umständen von Zeit und Ort angemessene Weise Jesus Christus sichtbar zu machen. Deshalb muss es in der Prälatur eine Symbiose geben zwischen der Treue zum Wesentlichen, also zum Geist und zur Sendung, die sie empfangen hat, und der Berücksichtigung der neuen Umstände, die im Rahmen des weiten Raums des Nicht-Wesentlichen Anpassungen verlangen. Im Laufe der Zeit verändern sich Rede- und Handlungsweisen, aber der Kern, der Geist, muss unveränderlich bleiben. So hat es der heilige Josefmaria immer erklärt.

Es muss in der Prälatur eine Symbiose geben zwischen der Treue zum Wesentlichen, also zum Geist und zur Sendung, die sie empfangen hat, und der Berücksichtigung der neuen Umstände, die Anpassungen verlangen.

Wie sehen Sie Ihre Sendung? Und welche sind Ihrer Ansicht nach die Erwartungen?

In erster Linie denke ich an die Notwendigkeit der vollen Einheit mit dem Papst und den übrigen Hirten. Sie ist wesentlich für eine Aufgabe, die Dienst an der Kirche sein soll. Natürlich muss ich mich den Menschen gegenüber väterlich verhalten und ihnen nahe sein, vor allem den Personen des Opus Dei, denn diese hat die Kirche mir anvertraut. Ich bin mir bewusst, dass diese Aufgabe meine persönlichen Fähigkeiten weit übersteigt, aber ich weiß auch, dass Gott mir beisteht. Außerdem stütze ich mich auf die Mitarbeit meiner Vikare und Räte und ganz besonders auf das Gebet der Gläubigen des Opus Dei und vieler Freunde.

Sie sind der dritte Nachfolger des Gründers des Opus Dei. Hat es im Werk seit den Anfängen Veränderungen gegeben? Wie sieht die Wirklichkeit des Opus Dei heute aus?

Die Sendung der Kirche lässt sich darin zusammenfassen, dass sie das Evangelium in alle Welt tragen soll und den Menschen helfen, Jesus Christus im Wort und in den Sakramenten zu begegnen. Die Prälatur Opus Dei hat an dieser Sendung Anteil. Sie erinnert an die allgemeine Berufung zu Heiligkeit und bietet christliche Bildung spezifisch dazu an, das gewöhnliche Leben zu heiligen: die Arbeit, die Familie, die gesellschaftlichen Beziehungen usw. Seit 1928 hat sich das Opus Dei auf alle Kontinente ausgebreitet; was Alter, gesellschaftliche Stellung und Nationalität anlangt, hat die Vielfalt seiner Gläubigen zugenommen; viele erzieherische und soziale Initiativen wurden angestoßen usw., aber der Kern – der Geist und die Sendung, von der ich gesprochen habe – wird weiterhin derselbe bleiben, auch wenn es jeweils darum geht zu entdecken, wie ich schon erwähnt habe, welchen Beitrag diese Botschaft angesichts der sich wandelnden Herausforderungen der Gesellschaft, der Personen und der Epochen leisten kann.

Wie steht es mit dem Opus Dei in Portugal?

Mit ihrem vertrauensvollen und gelassenen Glauben und mit ihrem offenen Wesen haben die Portugiesen die Botschaft des heiligen Josefmaria in viele Nationen getragen. Portugal war das erste Land außerhalb Spaniens, in das der Gründer das Opus Dei geführt hat, und er hat das 1945 persönlich getan, angespornt von Schwester Lucia ( Anm.: eines der drei Seherkinder von Fatima) . Es gibt etwa 1.500 Gläubige der Prälatur, die in ihrer Mehrzahl verheiratet sind. Es sind einfache Katholiken und Weltpriester, die sich bemühen, das Evangelium in der Arbeit und in den anderen Bereichen ihres Alltags in die Tat umzusetzen. Die Prälatur Opus Dei vermittelt ihnen christliche Bildung durch Einkehrtage, Theologiekurse, Studien- und Bildungskreise usw., abgesehen von der pastoralen Betreuung durch die Priester. Diese Tätigkeiten stehen allen offen, und de facto nehmen daran viele Menschen teil, die nicht dem Opus Dei angehören. Einige portugiesische Mitglieder des Opus Dei widmen sich Bildungsprojekten im Bereich von Erziehung und Familie, denen die Prälatur pastoralen Beistand gewährt, der öffentlichen Charakter hat und bekannt ist.

Allem zuvor geht es darum, zu Gott zurückzukehren, der wirklich ein guter und zärtlicher Vater ist. Von ihm kann das Licht kommen, um die Wahrheit zu erkennen, und die Kraft, das Gute zu tun.

Wissen Sie von den jüngsten gesetzlichen Veränderungen in Portugal? Man möchte die Abtreibung – die seit Jahren legal ist – in den Lehrplan der Schulen aufnehmen. Außerdem diskutiert man über die Entkriminalisierung der Euthanasie. Portugal, das eine lange katholische Tradition hat, scheint immer weniger christlich zu sein, sowohl in seinen Sitten als auch in seinen Gesetzen. Wie sehen Sie die Zukunft des Landes?

Die rasche Säkularisierung der Lebensgewohnheiten, das Sich-daran-Gewöhnen, dass man so lebt, als ob es Gott nicht gäbe und manchmal auch, als müssten wir nicht sterben, ist ein kultureller Trend, der viele Länder des sogenannten christlichen Westens erfasst hat. Portugal bleibt von dieser Tendenz nicht unbeeinflusst, obwohl es ein Land ist, wo das Leben so hochgeschätzt und die Menschen für das geliebt werden, was sie sind, unabhängig von ihrer physischen oder geistlichen Gesundheit. Ich kenne nicht näher die Einzelheiten der portugiesischen Gesellschaft, aber Sie sprechen konkrete Themen an, denen wir vielerorts begegnen. Allem zuvor geht es darum, zu Gott zurückzukehren, der wirklich ein guter und zärtlicher Vater ist. Von ihm kann das Licht kommen, um die Wahrheit zu erkennen, und die Kraft, das Gute zu tun. Davon hängt die Zukunft ab – auch die Portugals. Mir scheint, dass in diesem Sinn Fatima für die Portugiesen wie ein gewaltiger Magnet ist und eine Quelle der Sicherheit und des Optimismus.

Der Prälat des Opus Dei umarmt den Heiligen Vater bei der ersten Audienz nach seiner Ernennung.

Europa steckt in einer humanitären Krise, es gibt einen latenten politischen Extremismus, und sehr bald gibt es Wahlen. Ist das Opus Dei – das manchmal als erzkonservativ etikettiert wird – mit gewissen extremistischen Positionen einverstanden?

Das Opus Dei vertritt keine andere Position als die der Katholischen Kirche. Seine Mitglieder genießen dieselbe Freiheit wie jeder andere Katholik in allen Fragen, die der freien Meinung überlassen sind. Außerdem teilen wir als Katholiken alle eine Reihe von Herausforderungen, die mehr ethischer als politischer Natur sind. Europa steht in der Tat vor der Herausforderung, tausende Flüchtlinge aufzunehmen und zu integrieren, die sich gezwungen sahen, ihr Land auf der Suche nach einer besseren Zukunft zu verlassen. Für die Personen des Opus Dei sind die Leiden dieser Brüder und Schwestern wie für alle Christen eine ständige Einladung zum Dienst und zum Gebet, denn sie erkennen in ihnen „das leidende Fleisch Christi“, wie Papst Franziskus uns häufig erinnert.

Die christliche Liebe ist eine konkrete Liebe, die sich am Vorbild Christi ausrichtet: ständig für die anderen zu leben.

Die christliche Liebe ist eine konkrete Liebe, die sich am Vorbild Christi ausrichtet: ständig für die anderen zu leben, durch Werke des Dienstes ihre Würde anzuerkennen, ihnen in ihrem tiefsten Schmerz beizustehen und ihnen den Trost Christi zu vermitteln. In der Rede, die der Papst Ende 2014 im Europaparlament gehalten hat, finden sich wichtige Anregungen für die Bewältigung dieser dramatischen Situation. Es wäre zu wünschen, dass die Regierenden sie sich zu Herzen nehmen.

Was halten Sie zum Beispiel von der Entscheidung Donald Trumps, Mauern hochzuziehen und die Tore für Einwanderer zu schließen? Papst Franziskus hat wiederholt gesagt, dass wir sie wie Brüder auf Erden aufnehmen müssen, wobei allerdings reichlich komplexe, die Sicherheit betreffende Fragen zu berücksichtigen sind: Sicherheit, Freiheit und Terrorismus leben in unseren Tagen nebeneinander. Wie kann man die schwierige Balance von Sicherheit und Freiheit halten?

Die US-amerikanischen Bischöfe sind den Einwanderern sehr nahe und teilen ihre Sorgen. Außerdem haben sie sich zur Zusammenarbeit mit den Behörden bereit erklärt, um Überlegungen und Standpunkte auszutauschen. Das Gleichgewicht der konkreten Lösungen – besonders, was Sicherheit und Freiheit betrifft – ist jedenfalls nicht einfach, und es gibt Raum für verschiedene Ansätze. Die politischen Instanzen tragen hier eine wichtige Verantwortung. Die Politiker können, unabhängig von ihren Auffassungen, auf das Gebet der Gläubigen bauen, selbst wenn diese nicht so denken wie sie. Ich bete darum, dass in allen Ländern ein Klima der Offenheit für die Bedürftigsten herrscht, die Sie erwähnt haben; jetzt konkret für die Einwanderer und Flüchtlinge, ohne Rücksicht auf Rasse, Religion oder gesellschaftliche Stellung.

Die Politiker können, unabhängig von ihren Auffassungen, auf das Gebet der Gläubigen bauen, selbst wenn diese nicht so denken wie sie.

Kürzlich las ich in einer Studie, dass Portugal zu jenen Ländern Europas gehört, die die höchste Scheidungsrate haben, und dass es eine beachtliche Zahl zerbrochener Ehen gibt. Das Werk besteht sehr auf dem Charisma der Familie und der Bedeutung der Familie als Säule der Gesellschaft und der Spiritualität. Warum scheitern heute so viele Ehen? Worin bestehen die wichtigsten Bedrohungen für die Familie?

Dass ein Mann und eine Frau sich einander für das ganze Leben schenken und eine ausschließliche Bindung bis zum Tod eingehen, um gemeinsam zu wachsen und Kinder zu zeugen, die ihre Liebe fortdauern lassen, ist eine wunderbare Wirklichkeit, die alle angeht, nicht nur die Kirche. Und wenn ein solches Projekt schiefgeht und scheitert, verletzt das nicht nur die Betroffenen, sondern hat Rückwirkungen auf die Gesellschaft. Außerdem hat Jesus Christus gesagt, dass er diese eheliche Gemeinschaft annimmt und als endgültig erachtet. Für die Christen ist die Ehe darüber hinaus ein Sakrament, durch das Gott mit seiner Hilfe und seinem Segen auf die Ehegatten und ihre Kinder einwirkt.

Heute verlieren viele den Mut, weil sie das Scheitern anderer sehen, weil die Anspannung groß ist, weil die Familien den Mangel an finanziellen Mitteln, an Raum und Zeit zu spüren bekommen.

Ich denke, dass Papst Franziskus uns hilft, jeden Pessimismus zu überwinden. Er erinnert uns daran, dass die Ehe auf der Freude der Liebe gründen muss. Ich möchte unbedingt die aufmerksame Lektüre der Seiten empfehlen, die der Papst als das Herzstück von Amoris laetitia bezeichnet: das Kapitel 4 über die Liebe in der Ehe, und das Kapitel 5 über die Ehe, die fruchtbar wird. Es handelt sich um praktische Ideen, die anregend und ganz leicht verständlich sind und die die Familien stärken können.

In Ihrer ersten Botschaft haben Sie „Christus begegnen“ ( Anm.: Band von Homilien des hl. Josefmaria ) zitiert und gesagt, jede Generation von Christen müsse ihre eigene Zeit heiligen und daher die Sehnsüchte der anderen Menschen, die ja ihresgleichen sind, verstehen und teilen. Wie beurteilen Sie die Zeiten, in denen wir leben?

Es sind Zeiten der Unsicherheit und zugleich des Wunsches nach Veränderung; Zeiten der Abkehr von Gott und der Sehnsucht nach Gott; Zeiten der Traurigkeit und Erschöpfung, aber auch der Sehnsucht nach dem Guten; Zeiten der Angst vor den Konflikten und Zeiten eines großen Verlangens nach Frieden. Das sind die Zeiten, die zu leben uns zukommt, und es sind Zeiten, die uns für das Wirken Gottes öffnen.

Es sind Zeiten der Unsicherheit und zugleich des Wunsches nach Veränderung; Zeiten der Abkehr von Gott und der Sehnsucht nach Gott.

In der öffentlichen Meinung sehen manche das Opus Dei als in sich geschlossen, als eine Art pressure group . Wenn es in der öffentlichen Meinung erwähnt wird, ist häufig vom Geld die Rede, von Einfluss und Reichtum. Hat das Opus Dei wirklich einen so großen Einfluss? Hat es so viel Geld und so viele Güter? Welche? Warum gibt es so viele Leute vom Opus Dei, die bedeutend sind oder den oberen Schichten angehören (in Portugal zum Beispiel Bankiers)? Gibt es in der Prälatur mehr Reiche als Arme? Warum hat Jesus gesagt, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Himmelreich kommt?

Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus, da gibt es mitunter in der kollektiven Vorstellungswelt eine ordentliche Portion Fiktion. Unter den Menschen, die dem Opus Dei angehören, findet man Menschen aller Art: Gesunde und Kranke, Junge und Alte, Arme und Wohlhabendere, Menschen, die einen festen Arbeitsplatz haben, andere im Ruhestand und viele Arbeitslose, die in den von der Krise am meisten heimgesuchten Ländern wie alle jene leiden, die das gleiche Los getroffen hat. Ich halte es für wichtig, dass man auf die Wirklichkeit schaut, dass man die Personen kennt. Das Opus Dei bietet allen einen Dienst christlicher Begleitung an, unabhängig von ihrer gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Position und ohne sich in den weiten Bereich ihrer beruflichen, künstlerischen, politischen und bürgerlichen Möglichkeiten einzumischen. Zugleich stehen die Türen unserer Zentren und apostolischen Werke jedem offen, der die Realität aus der Nähe kennenlernen möchte. Viele Personen des Opus Dei bringen zusammen mit ihren Freunden Sozial- und Erziehungsprojekte voran, die für viele Menschen von Nutzen sind und von denen normalerweise nicht viel gesprochen wird. Ich nenne Ihnen ein Beispiel, von dem ich dieser Tage erfahren habe: Einige Gläubige des Opus Dei in der Elfenbeinküste haben das Wale Medical Center ins Leben gerufen, das AIDS-Kranken sowohl in Yamoussoukro als auch in Toumbokro kostenlose medizinische Betreuung und Behandlung anbietet. Ich bitte Gott, dass diese persönlichen und gemeinschaftlichen Initiativen immer mehr werden, auch in Portugal.

Sind Sie mit dem heiligen Paulus einer Meinung, wenn er sagt, dass das Geld die Wurzel aller Übel ist?

Der heilige Paulus sagt, dass die Liebe zum Geld die Wurzel aller Übel ist. Es ist dieselbe Warnung, die Papst Franziskus ausspricht, wenn er vom Geld als Gott spricht und vom Götzendienst am Geld. Der Papst rüttelt uns nicht nur angesichts der großen sozialen Ungerechtigkeiten auf, sondern hilft uns sogar, unser Almosen feinfühlig zu geben: dass wir dem, der uns bittet, in die Augen schauen und mit der gebenden Hand die empfangende Hand berühren.

In den vergangenen Jahren ist das Opus Dei zu einflussreichen Posten an der Kurie und am Heiligen Stuhl gekommen. Auch die Universität Santa Croce ist beträchtlich gewachsen. Wie erklären Sie diesen Zuwachs an Prestige und an Ämtern seitens des Opus Dei?

Es arbeiten nur wenige Personen des Opus Dei an der vatikanischen Kurie. Ihre Ernennung wird in Romana, dem offizielle Bulletin der Prälatur publiziert, und jeder kann das überprüfen. Die Betreffenden haben den Personen, die ihnen diese Arbeit angeboten haben, frei ihre Zustimmung gegeben und werden versuchen, in einer Haltung des Dienstes und des Gehorsams gegenüber ihren Oberen in der Kurie zu arbeiten. Im Übrigen halte ich es für grundlegend, dass man die Arbeit in den Verwaltungsbehörden der Kirche als Dienst an der Universalkirche und nicht als Prestigeposten versteht. Jedenfalls kann ich Ihnen versichern, dass wir einzig und allein daran interessiert sind, der Kirche so zu dienen, wie sie möchte, dass man ihr dient. So hat es uns der heilige Josefmaria gelehrt, und so sollen wir uns bemühen, es zu tun.

Kann man, was die Größe betrifft, das Opus Dei mit den Jesuiten vergleichen? Würden Sie sagen, dass das Opus Dei heute so bedeutend oder sogar bedeutender ist als die Jesuiten?

In der Kirche wollen wir alle dem Missionsbefehl Jesu Christi entsprechen, und wir sind alle Mitarbeiter am großen Auftrag der Evangelisierung. Jeder führt diese Verkündigung im Einklang mit seinem Charisma durch, und alle zusammen sind wir wenige, um allen Menschen zu helfen. Deshalb fühlen wir uns untereinander verbunden, und da gibt es keinen Platz für Vergleiche. Der Dienst, den die Gesellschaft Jesu der Menschheit geleistet hat und leistet, ist sehr bemerkenswert: Widmung und Hingabe so vieler Männer, die Gebet und Studium mit dem ganz praktischen Dienst in menschlichen Grenzsituationen verbinden. Ich selber habe das Gymnasium bei den Jesuiten in Madrid besucht und bin dankbar für das, was ich auf akademischer Ebene und auf der Ebene menschlicher und geistlicher Bildung empfangen habe.

Der Dienst, den die Gesellschaft Jesu der Menschheit geleistet hat und leistet, ist sehr bemerkenswert: Gebet und Studium verbinden sich mit dem ganz praktischen Dienst in menschlichen Grenzsituationen.

Haben Sie den Film Silencegesehen? Welchen Eindruck hatten Sie? Falls Sie ihn nicht gesehen haben, was hat man Ihnen davon erzählt?

Ich habe etwas über diesen Film gelesen, der zeigt, dass der Preis, den man zahlt, wenn man Gott gegenüber loyal sein will, sehr hoch sein kann. Wir sollen nicht wünschen, geprüft zu werden, aber wir vertrauen darauf, dass Gott uns jederzeit hilft nicht aufzuhören, das Rechte und das Gute zu tun.

Wie ist der Umgang mit einem Papst, der Jesuit ist? Ich weiß, dass Sie mir antworten werden, dass der Papst für die ganze Kirche da ist. Natürlich bezweifelt man nicht seine Unfehlbarkeit. Es kann aber Päpste geben, mit denen man aus den verschiedensten Gründen mehr oder weniger glücklich ist. Franziskus ist auf gewissen Widerstand gestoßen wegen einiger Stellungnahmen, die die Konservativen für eher lax halten. Ist man im Werk in Sorge, dass es zu Veränderungen in der Lehre kommen könnte?

Bei einem guten Sohn der Kirche sollte es keinen Argwohn geben, wie Sie ihn beschreiben. Außerdem ist es bei diesem Papst sehr leicht, ihn sozusagen menschlich und freundschaftlich gern zu haben. Mich persönlich beeindruckt sein Gebetsleben, seine Offenheit jedem Menschen gegenüber und die bevorzugende Liebe, die er den Kranken entgegenbringt. Wir sprechen von einem Papst, der ein starkes pastorales Gespür hat und eine Kirche möchte, die evangelisiert. Am vergangenen 3. März hatte ich eine Privataudienz beim Papst. Franziskus war sehr herzlich, dankbar und interessiert an der apostolischen Arbeit des Opus Dei auf der ganzen Welt. Häufig erinnere ich mich an ein Motto, das der heilige Josefmaria geprägt hat: Omnes cum Petro, ad Iesum per Mariam : alle, mit Petrus, zu Jesus durch Maria.

Was sagen Sie zu gewissen Überlegungen auf der Familiensynode – die fallweise Zulassung zu den Sakramenten von wiederverheirateten Geschiedenen – oder zu bestimmten, wenig konservativen Äußerungen des Heiligen Vaters, dass man die Homosexuellen nicht verurteilen, sondern sie annehmen soll?

Der Papst lädt die ganze Kirche dazu ein, zu begleiten, zu unterscheiden und alle Menschen zu integrieren, welche immer ihre persönliche Situation sein mag. Das ist ein neuer pastoraler Impuls, der konkrete Antworten in Kontinuität mit den Aussagen des Lehramts verlangt. In seinem Dokument über die Familie erinnert der Heilige Vater einerseits daran, dass sich die Lehre der Kirche nicht ändert, und ermuntert uns andererseits, Wege zu suchen, um den Personen zu helfen, die heiraten möchten, die wollen, dass ihre eheliche Liebe reift, bzw. die irgendeine Schwierigkeit durchmachen. Dazu braucht es mehr geistliche Leiter oder Ratgeber, die verfügbar und vorbereitet sind.

Was denken Sie über den Fall der Gruppe von Kardinälen, die Franziskus geschrieben haben, um auf mangelnde Übereinstimmung hinsichtlich bestimmter Aspekte des nachsynodalen Schreibens hinzuweisen? Denken Sie auch, dass einige Punkte vielleicht falsch ausgelegt oder unrichtig erklärt worden sind? Welche?

Sie werden verstehen, dass es mir nicht zusteht, zu diesem Thema auf Einzelheiten einzugehen. Jedenfalls existieren offensichtlich verschiedene Ansichten in wichtigen Fragen. Das ist ein Motiv, für die Einheit zu beten.

Ist es sinnvoll, dass es in der Kirche so viele verschiedene Bewegungen gibt? Kann die Verschiedenheit der Bewegungen und Charismen dazu führen, die Kirche zu spalten?

Die Kirche ist ein Volk, das Volk Gottes, das von vielen Völkern gebildet wird. Sie ist ein großes Haus und in Ausdehnung begriffen. Christus erbaut sie, damit sie alle Menschen aufnimmt und damit alle in ihr den Ort finden, an dem sie sich zu Hause fühlen. Einheit und Verschiedenheit stehen nicht im Gegensatz zueinander. Der Gegensatz zur Einheit ist die Spaltung. Wenn es durch Petrus Einheit mit Christus gibt, dann besteht kein Risiko der Spaltung, sondern ganz im Gegenteil. Einheit in der Verschiedenheit ist gerade Gemeinschaft, was eine beachtliche Bereicherung für die Kirche bedeutet.

Wenn es durch Petrus Einheit mit Christus gibt, dann besteht kein Risiko der Spaltung.

Wie würden Sie der Welt von heute das Opus Dei erklären?

Der Gründer, der heilige Josefmaria Escrivá, pflegte zu sagen, das Opus Dei sei eine große Katechese. Das ist ein sehr plastisches Bild. Jede Person des Opus Dei strebt – trotz ihrer Begrenztheiten und Fehler – mit der Natürlichkeit ihres christlichen Lebens und ihrer Freundschaft danach, die Freude des Evangeliums mit ihren Angehörigen, Freunden, Arbeitskollegen, Nachbarn usw. zu teilen und Kirche zu verwirklichen, gerade an diesen beruflichen, familiären und gesellschaftlichen Randzonen. Unsere Welt ist voller Wunden und dürstet nach Hoffnung. Das Zeugnis eines christlichen Lebens in den allergewöhnlichsten Wirklichkeiten kann dazu beitragen, dass viele Menschen Jesus Christus kennenlernen und ihm begegnen und so, wenn sie seine Liebe entdecken, eine tiefere Freude in ihrem Leben erfahren.

Was meinen Sie zum Besuch von Papst Franziskus in Portugal und welche Erwartungen setzen Sie darauf? Er hat es vorgezogen, nach Fatima zu fahren statt zum Wallfahrtsort Aparecida in Brasilien. Was erwartet der Prälat von diesem Portugalbesuch des Papstes im Monat Mai?

Die tiefe und lebendige Andacht des Papstes zur allerseligsten Jungfrau ist bewundernswert. Man sieht, dass er, von Gott durch Maria angezogen, nach Fatima reisen wird. Das Thema der Reise ist vielsagend: „Mit Maria, als Pilger der Hoffnung und des Friedens“. In Fatima haben sich die Hirtenkinder für Gott begeistert, der sie überwältigt hat. Hoffen wir, dass alle, zusammen mit dem Papst, mit der mütterlichen Hilfe Mariens die unermessliche Liebe Gottes entdecken oder wiederentdecken können.

Rosa Ramos

Jornal de Noticias